Schmerzen bei Rheuma: Häufig gestellte Fragen
Die Rheumatologen Prof. Erika Gromnica-Ihle und Prof. Stefan Schewe beantworten für Sie häufig gestellte Fragen zum Thema "Schmerz und Rheuma".
Sind die Schmerzen bei Rheuma immer auf eine Entzündung zurückzuführen? Oder gibt es noch andere Ursachen?
Prof. Erika Gromnica-Ihle: Schmerzen gehören wie Schwellung, Rötung, Überwärmung und Funktionseinschränkung zu jeder Entzündung und somit auch zu den entzündlichen Gelenkerkrankungen. Schmerzen bei Rheuma können aber auch andere Ursachen haben wie beispielsweise Über- und Fehlbelastungen des Bewegungsapparates, Muskelverspannungen oder Schädigungen der Nerven.
Ich habe rheumatoide Arthritis – mit Schmerzen hauptsächlich in den Schultern. Schadet es, wenn ich beim Sport oder im Alltag bewusst „über die Schmerzgrenze gehe“?
Prof. Stefan Schewe: Die Frage lässt sich nicht allgemeingültig beantworten, denn es kommt darauf an, ob das Schultergelenk durch die rheumatoide Arthritis Schädigungen aufweist oder nicht. Grundsätzlich ist Bewegung für eine entzündete Schulter gut, durchaus auch über die empfundenen Schmerzen hinaus, aber es gibt natürlich Grenzen. Wenn die Schmerzen im Anschluss an die Bewegung zunehmen, sollte man mit der Belastung zurückgehen.
Es gibt viele Bewegungen, die nicht das Gelenk selbst belasten und die man vor allem regelmäßig umsetzen sollte. Zum Beispiel in einem Gymnastikprogramm, erlernt mit einer Krankengymnastin, die den möglichen Bewegungsumfang des Schultergelenks getestet hat.
Gilt das bei rheumatoider Arthritis auch bei einem akuten Schub mit starken Schmerzen?
Prof. Erika Gromnica-Ihle: Je nach Stärke des Rheumaschubes sollte man mit einem eingeschränkten Bewegungstraining fortfahren. Man sollte aber keinesfalls „über die Schmerzgrenze hinausgehen“.
Manchmal glaube ich, dass ich mir die Schmerzen nur einbilde, weil keine Rötung oder Schwellung an den Gelenken zu sehen ist. Kann das sein?
Prof. Stefan Schewe: In der Regel sieht man bei einem durch eine Rheumaerkrankung entzündeten Gelenk keine Rötung und eine Schwellung muss nicht unbedingt von außen sichtbar sein. Ein kundiger Arzt kann die Schwellung jedoch in der Regel nachweisen und ertasten. Es gibt aber auch Erkrankungen, bei denen die Rötung mitsamt der Schwellung geradezu charakteristisch ist, wie zum Beispiel die Gicht.
Andererseits gibt es nachgewiesene Rheumaerkrankungen, bei denen weder Schwellung noch Rötung je vorhanden waren. Eine Entzündung kann man dann über andere Methoden nachweisen, wie Laborwerte (Blutuntersuchungen), Ultraschall oder Kernspintomographie.
Was kann ich tun, damit ich eine Schonhaltung und damit verbundene Schmerzen vermeide?
Prof. Erika Gromnica-Ihle: Je nach Ort der Schonhaltung müssen die Gegenspieler der verkrampften Muskeln aktiviert werden. Das gelingt in der Regel nur gut und richtig durch eine spezielle Krankengymnastik unter Anleitung von Physiotherapeuten.
Ich werde seit sechs Jahren wegen einer rheumatoiden Arthritis behandelt und bin einigermaßen beschwerdefrei. Jetzt habe ich Schmerzen im Kniegelenk. Können die auch von der rA kommen?
Prof. Stefan Schewe: Selbstverständlich können auch Knieschmerzen mit einer rheumatoiden Arthritis zu tun haben, meist ist dann allerdings eine Kniegelenkschwellung (eventuell auch in der Kniekehle) nachweisbar. Man muss jetzt weiter fragen, ob die Schmerzen vorwiegend bei Belastung (z.B. beim Treppabsteigen) auftreten, ob sie morgens verstärkt kommen, wie lange sie unter leichter Bewegung andauern. Zusätzlich müssen ihr Alter und ihr Gewicht berücksichtigt werden. Denn es gibt häufigere Erkrankungen am Kniegelenk mit Schmerzen, z.B. eine Arthrose, die mit der bekannten rheumatoiden Arthritis nicht unbedingt zu tun haben.
Wie kann ich meine Gelenke zum Beispiel bei der Hausarbeit entlasten, damit der Schmerz nicht so stark wird?
Prof. Erika Gromnica-Ihle: Bei der Hausarbeit gibt es eine Vielzahl von Hilfen, damit die Gelenke nicht überlastet werden: Gefäße mit zwei Henkeln oder Griffen verwenden, damit sich das Gewicht auf beide Arme verteilt. Rutschfeste Unterlagen benutzen, damit z.B. beim Rühren nicht noch Haltearbeit geleistet werden muss. Effektive Öffner von Flaschen oder Büchsen verwenden, Griffverdickungen nutzen. Zum Schneiden spezielle Messer verwenden, die ein Abknicken im Handgelenk verhindern.
Ist etwas Schweres zu tragen, holen Sie es möglichst nah an den Körper heran. Bringen Sie Dinge, die ständig gebraucht werden, nicht zu hoch unter, damit das Schultergelenk nicht ständig überansprucht wird. Praktische Tipps bekommen Sie auch bei den Ergotherapeuten oder durch die Videos der Rheuma-Liga und deren Broschüren (z.B. Ratgeber "Gelenkschutz im Alltag").
Wie kann ich meine Gelenke zum Beispiel bei der Hausarbeit entlasten, damit der Schmerz nicht so stark wird?
Prof. Stefan Schewe: Es ist geradezu klassisch für entzündliche Rheumaerkrankungen, dass Schmerzen durch nicht zu stark belastende Bewegung besser werden. Durch die Bewegung verbessert sich die Durchblutung und die Entzündung im Gelenk wird weniger. Die durch die Entzündung vermehrte Flüssigkeit im Gelenk wird abgebaut - die Schmerzen nehmen ab.
Deshalb gilt grundsätzlich: Bewegung ist gerade für ein entzündetes Gelenk eher günstig, wenn die Entzündung nicht zu massiv ist. Sie müssen also selbst herausfinden, wie viel Bewegung ihnen gut tut, und welche Belastung zu groß für Ihr entzündetes Gelenk ist.
Ich habe oft so starke Schmerzen, dass ich mich zu nichts mehr aufraffen kann. Gleichzeitig habe ich Angst, auf Dauer zu vereinsamen. Was raten Sie mir?
Prof. Erika Gromnica-Ihle: Lassen Sie zuerst abklären, ob bei Ihnen möglicherweise eine Depression vorliegt. Entzündliche Rheuma-Formen sind häufig von einer Depression begleitet und diese ist gut behandelbar. Ich rate Ihnen sehr, sich einer Gruppe der Deutschen Rheuma-Liga anzuschließen. Sie werden andere Betroffene kennen lernen und aus Ihrer Vereinsamung herauskommen. Dort warten viele interessante Angebote auf Sie. Sie müssen nur zugreifen.
Bei mir wurde vor zwei Jahren eine juvenile idiopathische Arthritis diagnostiziert. Nun werde ich bald 18 und kann nicht mehr zu meinem Kinderrheumatologen gehen. Worauf muss ich beim Arztwechsel achten?
Prof. Erika Gromnica-Ihle: Am besten, Sie gehen auf die Internetseite der Deutschen Rheuma-Liga. Dort finden Sie auch Informationen zu unserem Angebot „Mein Rheuma wird erwachsen“. Dort können Sie mit jungen Leuten, unseren „Peers“ direkt in Kontakt treten. Diese haben den Prozess des Übergangs schon erfolgreich geschafft und sie können Ihnen viele wertvolle Tipps geben. Außerdem finden Sie auf der Website viele nützliche Ratschläge und Aktiv-Angebote.
Haben bestimmte Nahrungsmittel Einfluss auf den Schmerz?
Prof. Stefan Schewe: Eine Frage, die sich nicht eindeutig beantworten lässt ... Es gibt sicher Patienten, die durch Nahrungsumstellung ihre Schmerzen verringern können. Die Nahrungsumstellung sollte jedoch nie als einzige Maßnahme vorgesehen werden, denn wenn eine Entzündung in einem Gelenk vorliegt – zum Beispiel bei einer rheumatoiden Arthritis – braucht es Medikamente, die diese für das Gelenk auf Dauer schädliche Entzündung unterdrücken können. Eine Nahrungsumstellung ist dazu auf Dauer selten in der Lage.
Bei Übergewicht und Schmerzen in den unteren Extremitäten ist natürlich die Gewichtsabnahme ein Muss, denn die veränderten Gelenke sind mit dem hohen Körpergewicht überlastet. Hier kann eine Ernährungsumstellung sehr helfen!
Welchen Einfluss hat Stress auf den Rheumaschmerz?
Prof. Stefan Schewe: Schmerzen können durch Stress deutlich verstärkt werden – ohne jede Frage. Deshalb gehört zu einer Therapie von entzündeten Gelenken sicher auch, ein gutes Gleichgewicht zwischen Belastung/Bewegung einerseits und Ruhepausen andererseits einzuhalten. Psychisches Gleichgewicht vermindert Schmerzen.
Was kann ich von einer psychologischen Schmerztherapie erwarten?
Prof. Erika Gromnica-Ihle: Vor allem eine Behandlung der schmerzrelevanten Faktoren, die durch Medikamente nicht oder nur schwer zu beeinflussen sind. Eine psychologische Schmerztherapie hat viele Elemente: Sie beginnt mit einer Analyse schmerzverstärkender und schmerzabschwächender Faktoren, auf der dann die Verhaltenstherapie aufbaut.
Sie erlernen Methoden zur Ablenkung, zum Stressabbau und zur Entspannung, trainieren aber auch ihre sozialen Kompetenzen. Begleitende Depressionen und Angststörungen werden mitbehandelt und der Abbau von Schon- und Überforderungshaltungen erlernt. Die psychologische Schmerztherapie gehört bei jedem chronischen Schmerzpatienten zum Behandlungskonzept.
Wie unterscheiden sich chronische von akuten Schmerzen?
Prof. Stefan Schewe: Akute Schmerzen sind solche, die seit kurzer Zeit bestehen, meist Stunden bis wenige Tage dauern. Von chronischen Schmerzen sprechen wir, wenn sie seit mehr als ca. zwei Wochen bestehen. Der Übergang ist fließend. Es gibt Erkrankungen, die nur akute Schmerzen verursachen, zum Beispiel der Gichtanfall, der meist nicht länger dauert als eine bis maximal zwei Wochen.
Es gibt andererseits Erkrankungen, die langsam beginnen und immer mehr Gelenkschmerzen über Wochen und Monate bis Jahre verursachen, zum Beispiel die rheumatoide Arthritis. Und es gibt Mischformen, die akut beginnen, dann aber nicht mehr von alleine verschwinden, sondern in abgewandelter Form bleiben. Und schließlich gibt es solche, die schubweise verlaufen – mit Phasen von starken Schmerzen im Wechsel mit Phasen fast vollkommener Schmerzfreiheit. Zu letzteren zählen alle chronisch entzündlichen Rheumaerkrankungen, unter anderen die rheumatoide Arthritis, die Psoriasis-Arthritis oder der Morbus Bechterew.
Wie ändert sich die Behandlung bei chronifiziertem Schmerz?
Prof. Stefan Schewe: Bei chronifiziertem Schmerz hat sich das Gehirn so an den Schmerz gewöhnt, dass es auch bei Wegfall der Ursache weiter zu Schmerzen kommt. Die Schmerzempfindung hat sich eigene Wege im Nervensystem gebahnt, die nur schwer wieder zu verändern oder zurückzuführen sind. Entsprechend ändert sich das therapeutische Vorgehen. Das Prinzip ist dann neben der Schmerzbehandlung, dem Körper klar zu machen, dass keine eigentliche auslösende Ursache für die Schmerzen mehr vorhanden ist. Maßvolle, aber konsequente Bewegung über diese Schmerzempfindung hinaus zeigt zum Beispiel dem Körper auf Dauer, dass er seine Schmerzen langsam wieder vergessen kann.
Ist die Einnahme von Schmerzmitteln regelmäßig und auf Dauer nötig? Oder nur bei einem Schub bzw. wenn die Schmerzen besonders stark werden?
Prof. Stefan Schewe: Dabei kommt es auf die Ursache der Schmerzen an. Bei entzündlichen Rheumaschmerzen ist es oftmals nicht möglich, eine vollständige Schmerzfreiheit zu erreichen. Entscheidend ist immer, dass die Entzündung – also die Schmerzursache – behandelt und möglichst weitgehend unterdrückt ist, damit die Gelenke nicht weiter Schaden nehmen. Leichte, erträgliche Schmerzen müssen dann auch nicht zusätzlich dauerhaft behandelt werden, denn praktisch alle Schmerzmedikamente können auf Dauer auch schädliche Nebenwirkungen haben.
Unter einer längeren Schmerztherapie ist deshalb immer die Kontrolle der Organfunktionen notwendig (Funktion der Niere, Leber, Magen-Darmtrakt, Blutdruck, Herz-Kreislauf etc.). Im Schub bleibt meist nichts anderes übrig, als Schmerzmedikamente einzusetzen, aber möglichst kurz und in einer möglichst niedrigen, aber noch wirksamen Dosierung. Bei Entzündungen kommt Kortison dazu, das die Entzündung rasch unterdrücken kann.
Dienen die Basismedikamente auch der Schmerzbekämpfung oder muss ich immer extra Schmerzmittel einnehmen?
Prof. Erika Gromnica-Ihle: Die Wirkung der so genannten Basismedikamente, zum Beispiel Methotrexat (MTX) besteht in der Verminderung der Krankheitsaktivität und bestenfalls in der Verhinderung weiterer Gelenkzerstörung. Besteht keine Entzündung mehr und sind die Gelenke nicht zerstört, besteht auch keine Schmerzursache mehr. Die Basismedikamente brauchen aber einige Wochen bis zum Wirkungseintritt. MTX beispielsweise wirkt erst nach vier bis sechs Wochen. In dieser Zeit müssen entweder Entzündungs-oder Schmerzhemmer als Brückenmedikamente eingesetzt werden. Später im Krankheitsverlauf sind Schmerzmittel nur in Schub- oder Belastungssituationen notwendig. Je besser die rheumatoide Arthritis auf eine Basistherapie eingestellt ist, umso seltener werden Sie Schmerzmittel benötigen.
Wie unterscheiden sich Nichtsteroidale Antirheumatika und Coxibe?
Prof. Stefan Schewe: Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sind Rheumaschmerzmedikamente, die kein Kortison enthalten. NSAR wie zum Beispiel Ibuprofen oder Diclofenac können den Magen-Darmtrakt angreifen und dort Geschwüre und Blutungen verursachen. Coxibe haben den Vorteil, dass der Magen vor diesen Nebenwirkungen besser geschützt ist. Die möglichen Nebenwirkungen auf die anderen Organe (Funktion der Niere, Leber, Darmtrakt, Blutdruck, Herz-Kreislauf etc.) sind bei beiden Gruppen von Medikamenten gleich.
Deshalb lautet die Devise: So kurz wie möglich und in einer möglichst niedrigen Dosierung, wobei letzteres allerdings sehr von der zugrunde liegenden Schmerzursache abhängt. Ist eine dauerhafte Therapie mit einem dieser Medikamente notwendig, zum Beispiel bei Morbus Bechterew, müssen in jedem Fall regelmäßige Kontrollen der Organfunktionen durchgeführt werden.
Führen alle Schmerzmittel nicht irgendwann zur Abhängigkeit?
Prof. Erika Gromnica-Ihle: Eine Abhängigkeit entwickelt sich in der Regel nur bei Opioid-haltigen und Opioid-ähnlichen Schmerzmitteln.
Wann kommt Kortison zum Einsatz?
Prof. Stefan Schewe: Kortison ist ein hoch effektives Medikament, um Entzündungen rasch zu unterdrücken. Wenn also eine akute Entzündung besteht, die nicht durch Bakterien verursacht ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Kortison behandelt werden müssen. Alle anderen Basismedikamente (z.B. Methotrexat und auch die Biologika) brauchen deutlich mehr Zeit, bis sie die Entzündung unterdrücken können.
Hätte Kortison nicht so viele Nebenwirkungen, wäre es das ideale Medikament für praktisch alle entzündlichen Rheumaerkrankungen. Seine zahlreichen Nebenwirkungen sind allerdings in der Regel nur dann von Bedeutung, wenn Kortison über längere Zeit gegeben werden muss, also beispielsweise über Monate hinweg (Therapieregeln Kortison).