Therapieoptionen werden nicht ausgeschöpft
Hintergrund
Eine unzureichende therapeutische Versorgung mit Arznei- und Heilmitteln führt nicht nur zu weiteren Krankheitsfolgen, vermeidbaren Einschränkungen und Behinderungen (Pflegebedarf), auch die daraus resultierenden volkswirtschaftlichen Kosten sind enorm: Die Krankheitskosten für muskuloskelettale Erkrankungen belaufen sich im Jahr 2020 auf 41 Milliarden Euro; allein für die Behandlung von Arthrose werden rund 12 Milliarden Euro ausgegeben. Diese enormen Ausgaben können durch frühe Diagnostik und sachgerechte Therapie vermindert werden.
Bekanntheitsgrad von Therapieleitlinien erhöhen und konsequent einsetzen
Therapieleitlinien tragen mit ihren Empfehlungen zu einer evidenzbasierten qualitätsgesicherten medizinischen Versorgung bei. Sie werden indikationsbezogen von medizinischen Fachgesellschaften unter Beteiligung von Patientenvertretungen entwickelt. So kann beispielsweise eine physiotherapeutische Behandlung bei Arthrose oft eine Operation verhindern oder zumindest herauszögern. Wirken können Leitlinien jedoch nur, wenn sie bekannt sind. Insbesondere bei der Behandlung der Fibromyalgie, Osteoporose oder Arthrose zeigt sich, dass die Empfehlungen nicht ausreichend verbreitet, berücksichtigt oder angewandt werden.
Off-Label-Use muss als Therapiealternative verfügbar sein
Insbesondere bei seltenen rheumatischen Erkrankungen werden Medikamente eingesetzt, die nicht oder für diese spezielle Anwendung nicht zugelassen sind. Auch für viele Kinder ist die Off-Label-Therapie oft die einzige Möglichkeit, Hilfe zu bekommen. Die Kostenübernahme einer Off-Label-Therapie durch die Krankenkassen ist jedoch häufig schwierig. Die Beratungen zur Aufnahme von Arzneimitteln im Off-Label-Use bei der Expertengruppe Off-Label-Use sowie im Gemeinsamen Bundesausschuss ziehen sich oft über Jahre hin. Diese Beratungsdauer muss deutlich verkürzt und Entscheidungen schneller getroffen werden.
Ergänzend sollte der Gesetzgeber ein geregeltes Zweitmeinungsverfahren einführen. Damit wird sichergestellt, dass eine Therapie durchgeführt werden kann, die einen schweren Krankheitsverlauf verhindert.
Medikamentöse Therapie in allen Altersstufen sichern
Eine gute medikamentöse Versorgung sollte keine Frage des Alters sein. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass ältere Menschen mit Rheuma medikamentös unterversorgt sind. Besonders problematisch erscheint die Situation bei älteren Menschen, die in stationären Pflegeeinrichtungen leben. Eine rheumaspezifische Medikation muss auch in Pflegeheimen uneingeschränkt möglich sein, um vermeidbaren Gelenkschäden und Funktionseinschränkungen vorzubeugen.
Versorgungsdefizite bei nicht-medikamentösen Therapien beseitigen
Krankengymnastik und Ergotherapie sind elementare Bausteine in der Behandlung von Rheumakranken: Sie können Funktionseinschränkungen vermindern und Teilhabechancen verbessern. Das Funktionstraining fördert die Beweglichkeit. Patientenschulungen unterstützen rheumakranke Menschen dabei, ihre Krankheit zu bewältigen und ihr Leben mit Rheuma aktiv und selbstbewusst zu gestalten.
Dennoch werden nicht-medikamentöse Therapien immer noch zu wenig verordnet. Daten aus der Kerndokumentation von 2022 zeigen, dass von allen Patientinnen und Patienten mit rheumatoider Arthritis im Vorjahr nur 31 Prozent Krankengymnastik, 8 Prozent Ergotherapie, 3 Prozent Funktionstraining und 4 Prozent eine Patientenschulung erhielten.
Das Funktionstraining, ein Angebot der Deutschen Rheuma-Liga, ist ebenfalls gefährdet: In den Kommunen – vor allem in strukturschwachen Regionen – stehen immer weniger Bäder, Sportstätten und andere Therapieplätze zur Verfügung.
Auch Patientenschulungsprogramme werden nicht flächendeckend angeboten und sind zudem nicht ausreichend finanziert. Dabei ist ihr Nutzen belegt. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen tragen die Programme dazu bei, die Eigenverantwortung der jungen Menschen zu stärken.
Chancen und Risiken digitaler Anwendungen bewerten
Digitale Anwendungen stärken das Selbstmanagement rheumakranker Menschen. Digitale Gesundheitsanwendungen (DIGA) durchlaufen einen Zulassungsprozess beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArm). Eine Patientenbeteiligung ist dabei bisher nicht vorgesehen.
Für Gesundheits-Apps sollte ein Nutzennachweis etabliert werden, um den Patientennutzen zu sichern und eine Gesundheitsgefährdung auszuschließen.
Kostenübernahme beim Kieferorthopäden sicherstellen
Bei der kieferorthopädischen Behandlung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gibt es Probleme. Wenn diese bis zum Übergang in die internistische Rheumatologie nicht abgeschlossen sind, können die Krankenkassen die Kostenübernahme verweigern.
Die Folge einer unzureichenden therapeutischen Versorgung zeigt sich in körperlichen Einschränkungen und Behinderungen
Unser Lösungsansatz
- Es wird ein gesetzlich geregeltes Zweitmeinungsverfahren für die Off-Label-Therapie eingeführt.
- Therapieleitlinien (z. B. im Bereich Arthrose/Osteoporose) werden in die ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung integriert.
- Funktionstraining, Physio- und Ergotherapie werden in allen Altersgruppen bedarfsgerecht von den Behandelnden verordnet und den Krankenkassen bewilligt.
- Für die Prüfung und Zulassung von digitalen Gesundheitsanwendungen ist eine Patientenbeteiligung beim Bundesinstitut für Arzneimittel sichergestellt.
- Auf kommunaler Ebene werden Therapie- und Sporteinrichtungen geschaffen bzw. erhalten, damit das Funktionstraining stattfinden kann.
Weitere Informationen zum Thema "Therapie bei rheumatischen Erkrankungen" erfahren Sie auf unseren Themenseiten.
Unsere Forderungen
- Rheumakranke brauchen verlässliche Versorgungsstrukturen
- Therapieoptionen werden nicht ausgeschöpft
- Es gibt Zugangsbarrieren in der Rehabilitation
- Rheuma ist bis heute nicht heilbar
- Pflegebedürftigkeit darf kein Armutsrisiko sein
- Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
- Teilhabe ist ein Menschenrecht
- Chronische Krankheiten dürfen nicht zum finanziellen Ruin führen