Heilmittelverordnung
Was sind Heilmittel?
Heilmittel sind medizinische Leistungen, die von speziellen Therapeuten erbracht werden. Heilmittel helfen Ihnen dabei, ein möglichst selbstständiges Leben mit einer rheumatischen Erkrankung zu führen. Damit Ihre gesetzliche Krankenkasse die Kosten übernimmt, benötigen Sie eine Verordnung von Ihrem Hausarzt, Rheumatologen oder einem anderen Vertragsarzt.
Zu den Heilmitteln zählen:
- Physiotherapie (Bewegungstherapie und Physikalische Therapie, bspw. manuelle Therapie, Wasser-, Wärme-/Kälte- oder Elektrotherapie)
- Ergotherapie
- Logopädie (Stimm-, Sprech- und Sprach- und Schlucktherapie)
- Podologie (medizinische Fußpflege)
- Ernährungstherapie
Wie werden Heilmittel verordnet?
Grundlage für die Verordnung von Heilmitteln ist die Heilmittel-Richtlinie. Sie wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossen. Die Heilmittel-Richtlinie regelt die Voraussetzungen und Grundsätze der Verordnung sowie die Zusammenarbeit zwischen den Vertragsärzten und Therapeuten. Hier ist festgelegt, bei welcher Erkrankung welches Heilmittel in Frage kommt und wie viele Behandlungen der Arzt Ihnen im Normalfall mit dieser Erkrankung verordnen kann. Die Heilmittel-Richtlinie gilt bundesweit und ist für Ärzte, Therapeuten und Krankenkassen bindend.
Der Heilmittel-Katalog der Richtlinie ist besonders wichtig für Ihren Arzt. Dort sind der Verordnungsfall, Behandlungsmenge und die orientierende Behandlungsmenge festgelegt.
Verordnungsfall: Alle Heilmittelbehandlungen für einen Patienten aufgrund derselben Diagnose (d.h. die ersten drei Stellen des ICD-10-GM-Codes sind identisch) und derselben Diagnosegruppe nach Heilmittelkatalog.
Behandlungsmenge: Die zulässige Höchstmenge an Behandlungen je Verordnung (zum Beispiel bei Erkrankungen wie Osteoporose bis zu 6-mal).
Orientierende Behandlungsmenge: Gesamtmenge an Behandlungseinheiten, mit der eine Verbesserung erreicht werden soll. In der Regel sind dies 18 Behandlungseinheiten.
Je nach medizinischem Bedarf kann Ihr Arzt aber auch diese Gesamtmenge überschreiten: Die Verordnung ist möglich, solange Ihre Krankheit dies erfordert (§ 7 Abs. 4 Heilmittel-Richtlinie). Dafür benötigen Sie keine Genehmigung der Krankenkasse. Überschreitet Ihr Arzt die Gesamtmenge, muss er dies lediglich in der Krankenakte vermerken.
Ärztinnen, Ärzte, Psychotherapeutinnen und -therapeuten können seit April 2023 Folgeverordnungen für Heilmittel auch in Videosprechstunden sowie in Ausnahmefällen nach telefonischem Kontakt ausstellen. Voraussetzung für eine Video-Heilmittelverordnung ist, dass die Patientin oder der Patient der Praxis bekannt sein muss. Die erstmalige Verordnung kann weiterhin nur nach persönlicher Untersuchung in der Praxis oder im Hausbesuch erfolgen. Das Gleiche gilt für das Ausstellen einer Folgeverordnung von Heilmitteln nach telefonischer Konsultation. Diese ist möglich, wenn die Patientin oder der Patient wegen aktueller Beschwerden bereits unmittelbar persönlich untersucht wurde oder in der Videosprechstunde war.
Gut zu wissen: Heilmittel nach Krankenhausaufenthalt
Falls erforderlich, kann Ihnen der Krankenhausarzt bei Ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus eine Heilmittel-Verordnung ausstellen. Sie müssen die Heilmitteltherapie innerhalb von sieben Kalendertagen nach der Entlassung beginnen und innerhalb von 12 Kalendertagen nach der Entlassung abschließen.
Wie bekomme ich länger Heilmittel?
Bei verschiedenen rheumatischen Erkrankungen sind meist dauerhaft oder langfristig Heilmittel notwendig. Anspruch auf langfristige Heilmittel besteht, wenn Ihre Erkrankung auf der Liste “Besondere Versorgungsbedarfe” (BVB) oder in der Diagnoseliste zum langfristigen Heilmittelbedarf in der Anlage 2 der Heilmittel-Richtlinie steht.
Steht Ihre Erkrankung auf einer dieser Listen bedeutet das für Sie:
- Ihr Arzt kann Ihnen direkt eine Verordnung für 12 Wochen ausstellen.
- Sie müssen mindestens alle 12 Wochen einen Kontrolltermin bei Ihrem behandelnden Arzt vereinbaren.
- Sie benötigen keine Genehmigung der Krankenkasse.
Hinweis für Ihren Arzt
Die Verordnungen unterliegen nicht der Wirtschaftlichkeitsüberprüfung nach § 106b Abs. 2 SGB V. Verordnungen können auf einem Verordnungsblatt für 12 Wochen erfolgen (§ 7 Abs. 6 Heilmittel-Richtlinie). Ärzte müssen nicht befürchten, in Regress genommen zu werden.
ICD-10 | Diagnose |
Seropositive chronische Polyarthritis | |
M05.0 | Felty-Syndrom (2) |
M05.1- | Lungenmanifestation der seropositiven chronischen Polyarthritis (1) |
M05.2- | Vaskulitis bei seropositiver chronischer Polyarthritis (1) |
M05.3- | Seropositive chronische Polyarthritis mit Beteiligung sonstiger Organe und Organsysteme (1) |
M05.8- | Sonstige seropositive chronische Polyarthritis (1) |
M05.9- | Seropositive chronische Polyarthritis, nicht näher bezeichnet (1) |
M06.0- | Seronegative chronische Polyarthritis (1) |
M06.1- | Adulte Form der Still-Krankheit (1) |
Arthritis psoriatica und Arthritiden bei gastrointestinalen Grundkrankheiten | |
M07.0- | Distale interphalangeale Arthritis psoriatica (1) |
M07.1- | Arthritis mutilans (2) |
M07.2- | Spondylitis psoriatica (1) |
M07.3- | Sonstige psoriatische Arthritiden (1) |
M07.4- | Arthritis bei Crohn-Krankheit [Enteritis regionalis] (1) |
M07.5- | Arthritis bei Colitis (1) |
M07.6- | Sonstige Arthritiden bei gastrointestinalen Grundkrankheiten (1) |
Juvenile Arthritis | |
M08.0- | Juvenile chronische Polyarthritis, adulter Typ (1) |
M08.1- | Juvenile Spondylitis ankylosans (2) |
M08-2- | Juvenile chronische Arthritis, systemisch beginnende Form (2) |
M08.3- | Juvenile chronische Arthritis (seronegativ), polyartikuläre Form (1) |
M08.4- | Juvenile chronische Arthritis, oligoartikuläre Form (1) |
M08.7- | Vaskulitis bei juveniler Arthritis (1 |
M08.8- | Sonstige juvenile Arthritis (1) |
M08.9- | Juvenile Arthritis, nicht näher bezeichnet (1) |
M30.0 | Panarteriitis nodosa (1) |
M31.3 | Wegener Granulomatose (1) |
M32.1 | Systemischer Lupus erythematodes mit Beteiligung von Organen oder Organsystemen (2) |
M32.8 | Sonstige Formen des systemischen Lupus erythematodes (2) |
M33.0 | Juvenile Dermatomyositis (1) |
M33.1 | Sonstige Dermatomyositis (1) |
M33.2 | Polymyositis (1) |
Systemische Sklerose | |
M34.0 | Progressive systemische Sklerose (2) |
M34.1 | CR(E)ST-Syndrom (2) |
M34.2 | Systemische Sklerose, durch Arzneimittel oder chemische Substanzen induziert (1) |
M34.8 | Sonstige Formen der systemischen Sklerose (1) |
M34.9 | Systemische Sklerose, nicht näher bezeichnet (1) |
Spondylitis ankylosans | |
M45.0 | Spondylitis ankylosans (2) |
Q87.4 | Marfan-Syndrom (2) |
Längstens 6 Monate nach Akutereignis: | |
M80.0- | Postmenopausale Osteoporose mit pathologischer Fraktur ab dem vollendeten 70. Lebensjahr (1) |
M80.8- | Sonstige Osteoporose mit pathologischer Fraktur (1) |
M23.5-+ Z98.8 | Chronische Instabilität des Kniegelenks (1) |
Z96.60 + Z98.8 | Vorhandensein einer Schulterprothese (1) |
Z96.64 + Z98.8 | Vorhandensein einer Hüftgelenkprothese (1) |
Z96.65 + Z98.8 | Vorhandensein einer Kniegelenkprothese (1) |
(1) Liste “Besondere Versorgungsbedarfe”; (2) Diagnoseliste zum langfristigen Heilmittelbedarf in der Anlage 2 der Heilmittel-Richtlinie; die Liste in diesem Merkblatt ist nur ein Auszug. Die kompletten Listen finden Sie hier.
Was kann ich tun, wenn meine Diagnose nicht auf den Listen steht?
Unter bestimmten Voraussetzungen können Sie langfristige Verordnungen für Heilmittel bekommen, auch wenn Ihre Erkrankung nicht auf einer der beiden oben erwähnten Listen steht.
Klären Sie mit Ihrem Arzt, ob bei Ihnen
- eine schwere funktionelle oder strukturelle Schädigung vorliegt.
- die Behandlung fortlaufend erfolgen muss.
- Der Zeitraum, in dem das Heilmittel erforderlich ist, mindestens ein Jahr beträgt.
Wenn Ihr Arzt bei Ihnen eine vergleichbare schwere und langfristige Erkrankung für mehr als ein Jahr festgestellt hat, können Sie bei Ihrer Krankenkasse die individuelle Genehmigung eines langfristigen Heilmittelbedarfs beantragen. Der Bedarf kann sich auch aus der Summe einzelner Erkrankungen ergeben.
So gehen Sie vor:
- Ihr Arzt stellt Ihnen eine Heilmittel-Verordnung mit Begründung aus.
- Stellen Sie einen formlosen Antrag auf Genehmigung eines langfristigen Heilmittelbedarfs gemäß § 8 der Heilmittel-Richtlinie bei Ihrer Krankenkasse.
- Legen Sie dem Antrag eine Kopie der ärztlichen Verordnung bei – das Original geben Sie Ihrem Therapeuten vor Ort.
Während Ihres Antragsverfahren läuft Ihre Heilmittel- Behandlung entsprechend der ärztlichen Verordnung weiter. Die Krankenkasse muss bis zu ihrem Entscheid die Kosten für die Heilmittel-Behandlung übernehmen.
Die gesetzliche Krankenkasse muss innerhalb von vier Wochen über Ihren Antrag entscheiden. Erfolgt keine Rückmeldung, gilt Ihr Antrag als genehmigt. Die Krankenkasse kann den Medizinischen Dienst mit der Prüfung Ihres Antrags beauftragen. Dieser fordert bei Ihnen oder bei Ihrem behandelnden Arzt möglicherweise zusätzliche Informationen ein. Bis diese eingehen, wird die Vier-Wochen-Frist bis zur automatischen Genehmigung unterbrochen. Liegt Ihnen die Genehmigung der Krankenkasse vor, können Sie bis zum Ende des Bewilligungszeitraums Heilmittel erhalten. Kopieren Sie das Bewilligungsschreiben und nehmen Sie es bei Ihrem nächsten Arztbesuch mit. Lehnt die Krankenkasse Ihren Antrag ab, können Sie Widerspruch einlegen.
Gut zu wissen
Die Genehmigung eines langfristigen Heilmittelbedarfs behält ihre Gültigkeit, auch wenn Sie den Arzt wechseln. Informieren Sie einfach den neuen Arzt über die Sachlage. Wechseln Sie hingegen die Krankenkasse, müssen Sie einen neuen Antrag stellen.
Der Text auf dieser Seite stammt aus dem Merkblatt "Heilmittelverordnung" der Deutschen Rheuma-Liga. Es kann hier heruntergeladen werden und ist ab Mitte Januar 2022 bei Ihrem Landes- oder Mitgliedsverband als gedruckte Version bestellbar.
Fachliche Beratung: Marion Rink, Vizepräsidentin der Deutschen Rheuma-Liga und Patientinvertreterin im Gemeinsamen Bundesausschuss
Dr. med. Matthias Schmidt-Ohlemann, orthopädischer Rheumatologe und Vorstandsmitglied der Deutschen Rheuma-Liga
Sabine Eis, Referentin für Gesundheits- und Sozialpolitik bei der Deutschen Rheuma-Liga
Stand: Dezember 2021, Update April 2023: Heilmittelverordnung per Video und Telefon
Erste Anlaufstelle: Unsere Landes- und Mitgliedsverbände
Mit Rheuma müssen Sie nicht auf sich selbst gestellt sein. Die Landes- und Mitgliedsverbände der Deutschen Rheuma-Liga bieten bundesweit Rheumabetroffenen und deren Angehörigen Informationen und Unterstützung. Sie beraten zudem in medizinischen, sozialrechtlichen oder psychosozialen Fragen.