Bundestagwahl 2025: Unsere Forderungen für Menschen mit Rheuma
In Deutschland leben etwa 17 Millionen Menschen mit einer rheumatischen Erkrankung oder einer Erkrankung des Muskel- und Skelettsystems. Was gemeinhin als „Rheuma“ bezeichnet wird, hat viele Gesichter. Neben den entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wie Morbus Bechterew oder rheumatoider Arthritis, Kollagenosen und Vaskulitiden zählen auch Osteoporose, Arthrose oder Fibromyalgie dazu.
Rheuma ist keine „Alte-Leute-Krankheit“. In Deutschland sind schätzungsweise 20.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren betroffen.
Die Diagnose "Rheuma" stellt das Leben jedes Einzelnen vor große Herausforderungen. Betroffene sehen sich mit zahlreichen Schwierigkeiten im Alltag, im privaten Leben sowie in der Arbeitswelt konfrontiert.
Um die gesellschaftliche Teilhabe und die Versorgungssituation Rheumakranker anhaltend zu verbessern, sind Anpassungen auf politischer Ebene erforderlich. Dies betrifft insbesondere die Gesundheits- und Sozialpolitik.
Die Deutsche Rheuma-Liga e. V. unterstützt Menschen mit Rheuma dabei, ihr Leben mit der chronischen Erkrankung aktiv zu gestalten.
Rheuma hat eine starke Stimme
Verlässliche Versorgungsstrukturen schaffen
Nicht gut behandelt verkürzt sich die Lebenszeit von Menschen mit Rheuma um mehrere Jahre. Bundesweit fehlen rund 700 internistische Rheumatologinnen und Rheumatologen. Die Folge sind lange Wartezeiten auf Facharzttermine sowie weite Anfahrtswege.
Das bestehende Angebot an Frühsprechstunden in rheumatologischen Praxen und Ambulanzen zur Abklärung von Verdachtsdiagnosen reicht nicht aus.
In Deutschland gibt es zu wenige rheumatologische Lehrstühle an den Universitäten; an vielen medizinischen Fakultäten ist die Rheumatologie kein Pflichtfach.
Es stehen nicht ausreichend Weiterbildungsstellen im ambulanten und stationären Bereich zur Verfügung, um die Zahl der Facharztabschlüsse in der Rheumatologie dauerhaft zu erhöhen.
Unser Lösungsansatz: Rahmenbedingungen verbessern
- Die Zahl der rheumatologischen Lehrstühle an den Universitäten wird erhöht.
- Für den Ausbau von Frühsprechstunden werden finanzielle Anreize gesetzt.
- Um Weiterbildungsstellen in der Rheumatologie und Orthopädie erhalten und ausbauen zu können, werden finanzielle Anreize in der Krankenhausvergütung gesetzt.
Auch nicht-medikamentöse Therapien sind wichtig
Obwohl sie elementare Bausteine in der Behandlung von Rheumakranken sind, werden nicht-medikamentöse Therapien wie Physio- und Ergotherapie sowie das Funktionstraining immer noch zu wenig verordnet.
In vielen Kommunen, insbesondere in strukturschwachen Regionen, ist das Angebot an öffentlichen Bädern, Sportstätten und Therapieplätzen rückläufig.
Unser Lösungsansatz: Versorgungsdefizite beseitigen
- Funktionstraining sowie Physio- und Ergotherapie werden in allen Altersgruppen bedarfsgerecht verordnet und von den Krankenkassen bewilligt.
- Auf kommunaler Ebene werden Therapie- und Sporteinrichtungen geschaffen bzw. erhalten, so dass Funktionstraining durchgeführt werden kann.
Rehabilitation ist für alle da – egal wie alt
In der Fläche fehlen spezialisierte Angebote, die insbesondere auch eine wohnort- bzw. sozialraumnahe Versorgung Rheumakranker ermöglichen.
Rheumakranke mit Pflegegrad erhalten häufig einen Platz in der geriatrischen Rehabilitation, obwohl sie aufgrund ihres Alters und ihres Behandlungsbedarfes dort nicht hingehören.
Für rheumakranke Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen fehlt ein flächendeckendes Angebot an mobiler und ambulanter Rehabilitation.
Schwer betroffene Rheumapatientinnen und -patienten werden von Rehabilitationskliniken häufig nicht aufgenommen, da die benötigte intensivere Pflege nicht geleistet werden kann oder gewollt ist.
Rehabilitationsangebote für Kinder und Jugendliche müssen altersgerecht sein und rheumatologische Kompetenz einbeziehen. Insbesondere die ambulante Rehabilitation stellt einen „blinden Fleck“ in der Versorgung dar.
Unser Lösungsansatz: Zugangsbarrieren in der Rehabilitation abbauen
- Rheumakranke erhalten ein auf ihre Erkrankung zugeschnittenes Reha-Angebot und werden entsprechend betreut.
- Für ältere und alte Menschen mit rheumatischen Erkrankungen werden stationäre, ambulante und mobile Reha-Angebote bedarfsgerecht vorgehalten.
Ausgrenzung durch fehlende Barrierefreiheit verhindern
Barrierefreiheit ist in Deutschland noch kein Standard.
Im Jahr 2023 wies lediglich ein Anteil von rund 48 Prozent der ambulanten Praxen mindestens eine Maßnahme zur Barrierefreiheit auf.
Das Angebot an barrierefreien Unterrichtsräumen in Schulen ist unzureichend. Auch der Zugang ist vielfach durch zu hohe Türschwellen oder fehlende Aufzüge erschwert.
Bei digitalen Technologien ist eine umfassende Barrierefreiheit oft nicht gewährleistet.
Unser Lösungsansatz: Barrierefreiheit sicher
- Die bauliche Barrierefreiheit ist bei Neuzulassungen von Praxen eine Voraussetzung der Niederlassung.
- Barrierefreiheit ist für das Eröffnen und Betreiben von medizinischen Einrichtungen gesetzlich vorgeschrieben.
- Digitalisierung wird barrierefrei gestaltet.
Pflegebedürftigkeit darf kein Armutsrisiko sein
Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland wird allein durch die zunehmende Alterung bis 2055 von 5,7 Millionen (2023) auf mindestens 6,8 Millionen Menschen ansteigen.
Die finanzielle Situation der gesetzlichen Pflegeversicherung spitzt sich immer weiter zu.
Im Bundesdurchschnitt zahlen Pflegebedürftige 2.780 Euro (2024) für ihren Platz in einer stationären Einrichtung.
Ein Drittel der Heimbewohnerinnen und -bewohner ist inzwischen auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen.
Pflege-Bürgerversicherung einführen
- Die gesetzliche und private Pflegeversicherung werden zu einer Pflege-Bürgerversicherung zusammengeführt.
- Die Eigenanteile werden dauerhaft begrenzt.
- Investitionskosten der stationären Einrichtungen werden Pflegebedürftigen nicht mehr in Rechnung gestellt.
Chronische Erkrankungen dürfen nicht in den finanziellen Ruin führen
Ausbildungszeiten in Schule und Universität werden nicht mehr rentensteigend angerechnet. Ausbildungszeiten können sich durch den schubweisen Verlauf der Erkrankung jedoch verlängern.
Eine zusätzliche private Altersvorsorge scheitert oftmals an Risikozuschlägen, Leistungsausschlüssen oder Ablehnung aufgrund der Erkrankung.
Unser Lösungsansatz: Erwerbsminderungsrenten passgenau gestalten
- Die Abschläge für chronisch Kranke werden abgeschafft.
- Für bestimmte Krankheitsgruppen wird die Regelung zur Nicht-Anrechnung von Ausbildungszeiten zurückgenommen.
Die finanzielle Belastung des Einzelnen muss tragbar bleiben
Zuzahlungen beispielsweise zu Arznei-, Hilfs- und Heilmitteln sind in der gesetzlichen Krankenversicherung die Regel. Diese werden auch bei Krankenhausaufenthalten, Reha-Maßnahmen, bei häuslicher Krankenpflege oder Haushaltshilfen fällig. Liegt die Zuzahlung höher als ein Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen, greift die Chronikerregelung.
Alle übrigen Kosten – wie nicht verschreibungspflichtige Medikamente oder Hilfsmittel für den täglichen Gebrauch (Dosenöffner, ergonomische Messer oder Strumpfanziehhilfen) – tragen Betroffene nach wie vor selbst.
Bei bestimmten Hilfsmitteln – wie z.B. Kompressionsstrümpfe oder Einlagen für Schuhe gelten Festbeträge. Mehrkosten zahlen Versicherte selbst. Manche Hilfsmittel werden oft erst nach langer Auseinandersetzung und mit Eigenanteilen bewilligt, zum Beispiel spezielle Elektrorollstühle.
Rheumakranke fahren zum Teil lange Strecken zum Facharzt. In kleineren Städten und Gemeinden sind das bis zu 50 km. Auch diese Fahrtkosten müssen sie selbst tragen.
Unser Lösungsansatz: Finanzielle Zusatzbelastungen begrenzen
- Krankheitsbezogene Kosten wie Fahrtkosten, Mehrkosten für Hilfsmittel etc. werden in die Chronikerregelung aufgenommen.
Die Inhalte des Aktionsplans wurden in drei virtuellen Workshops im Frühjahr 2024 erarbeitet. Wir danken allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Workshops sowie allen weiteren Personen, die uns bei der Erstellung des Aktionsplans beraten und unterstützt haben. Neben den Vorstandsmitgliedern des Bundesverbandes waren dies Mitglieder der Ausschüsse für Eltern rheumakranker Kinder sowie Junge Rheumatiker des Bundesverbandes und
- Jeanine Ahrensdorf (Deutsche Rheuma-Liga Berlin e.V.)
- Dr. med. Katinka Albrecht (Deutsches Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ), Berlin)
- Prof. Dr. med. Ralph Gaulke (Stiftung Herzogin Elisabeth Hospital, Zentrum für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie, Braunschweig)
- Prof. Dr. med. Johannes-Peter Haas (Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie, Garmisch-Partenkirchen)
- Lena Lorenz (Deutsche Rheuma-Liga Nordrhein-Westfalen e.V.)
- Prof. Dr. Kirsten Minden (Deutsches Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ), Berlin)
- Dr. med. Susanne Schalm (Rheumatologie im Zentrum, München)
- Meike Schoeler (Rechtsanwältin)
- Prof. Dr. med. Christof Specker (Evangel. Kliniken Esse-Mitte, Klinik für Rheumatologie & Klinische Immunologie, Essen
- Kirsten Schütz (Deutsche Rheuma-Liga Nordrhein-Westfalen e.V.)
Unsere Forderungen
- Rheumakranke brauchen verlässliche Versorgungsstrukturen
- Therapieoptionen werden nicht ausgeschöpft
- Es gibt Zugangsbarrieren in der Rehabilitation
- Rheuma ist bis heute nicht heilbar
- Pflegebedürftigkeit darf kein Armutsrisiko sein
- Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
- Teilhabe ist ein Menschenrecht
- Chronische Krankheiten dürfen nicht zum finanziellen Ruin führen
Wir sind für Sie da!
Beratung, Begegnung, Bewegung: Unsere Landes- und Mitgliedsverbände stehen Ihnen vor Ort mit einem vielfältigen Angeboten zur Seite. Die Deutsche Rheuma-Liga bildet eine große Gemeinschaft.