Die Coronapandemie hat das Thema Impfen erneut in die Schlagzeilen gebracht. Was ist bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und Impfungen zu beachten? Darüber sprach Julia Bidder, Chefredakteurin der Mitgliederzeitschrift "mobil", mit Prof. Klaus Warnatz, Rheumatologe und Immunologe an der Universitätsklinik Freiburg.
Herr Prof. Warnatz, warum ist es so wichtig für Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, sich gegen Grippe impfen zu lassen?
Das fragen viele Patienten, oft gibt es Bedenken. Die jährliche Influenzaschutzimpfung ist deshalb so wichtig, weil eine Grippe sehr schwer verlaufen kann. Außerdem kann es zu sogenannten Sekundärinfektionen kommen, also weiteren Atemwegsinfekten, etwa mit Bakterien, die sich auf die Grippe obendrauf setzen. Manche Patienten müssen dann sogar auf die Intensivstation – das möchte man gern vermeiden.
Die Wirksamkeit der Grippeimpfung ist klar nachgewiesen, auch wenn es manchmal Jahrgänge gibt, bei denen der Impfstoff nicht ganz so wirksam ist. Influenzaviren wandeln sich ständig, deshalb gibt es jedes Jahr einen neuen Impfstoff. Moderne Grippeimpfstoffe umfassen eine Immunisierung gegen vier verschiedene Stämme. Die meisten Menschen vertragen die Impfung gut, aber natürlich gibt es immer wieder Berichte, wonach manche Menschen mit Fieber oder Unwohlsein reagieren. Wenn dies immer wieder passiert, muss man abwägen, ob eine weitere Impfung wirklich sinnvoll ist.
Viele Studien haben gezeigt, dass auch Betroffene mit Autoimmunerkrankungen einschließlich Lupus erythematodes Impfungen gut vertragen und auch fast genauso gut auf den Impfstoff ansprechen wie gesunde Menschen. Auf der anderen Seite droht eine schwere Erkrankung, wenn sich Betroffene mit der Grippe infizieren. Japanische Forscher haben rund 17.000 Menschen mit rheumatoider Arthritis nach einer Grippeimpfung befragt, ob sie in der jeweiligen Saison an Influenza erkrankt sind. Es zeigte sich eine gute Schutzwirkung und nur wenige Nebenwirkungen. Natürlich schützt diese Impfung nur vor Influenza, vor Erkältungen und grippalen Infekten ist man dadurch nicht gefeit.
Kann ich mich ganz normal beim Hausarzt impfen lassen, oder muss ich vorher mit meinem behandelnden Rheumatologen sprechen?
Eine Impfung beim Hausarzt ist kein Problem. Aber meiner Erfahrung nach ist einer der großen Knackpunkte die Kommunikation zwischen Hausarzt und Rheumatologen. Beide müssen im engen Austausch stehen – wenn das funktioniert, kann das der Hausarzt übernehmen! Aus meiner Sicht ist es sinnvoll, dass der Rheumatologe im Vorfeld klärt, ob eine Impfantwort oder schwere Nebenwirkungen nach der Impfung zu erwarten sind. Er sollte diese Informationen strukturiert, am besten schriftlich, an den Hausarzt weitergeben.
Gibt es Alternativen zur Impfung?
Nein, eigentlich nicht wirklich, denn nichts ist so hilfreich wie die eigenen Abwehrkräfte zu nutzen, um sich vor einer Infektion zu schützen. Allerdings verlieren einzelne Patienten ihren allgemeinen Impfschutz, weil unter der notwendigen Behandlung ihrer Erkrankung ihre Immunglobuline verschwinden.
In solchen Fällen kann man eine sogenannte passive Immunisierung durchführen. Das macht man auch zum Beispiel, wenn sich jemand verletzt hat, Schmutz in die Wunde gelangt ist und die letzte Tetanusimpfung länger als zehn Jahre zurückliegt. Dann gibt man spezifische Antikörper gegen den Tetanus-Erreger. Wenn bei Patienten aufgrund des Antikörperverlusts die Abwehr so stark geschwächt ist, dass andauernd Atemwegsinfekte auftreten, kann man Immunglobuline zum passiven Schutz des Patienten verabreichen. Eine solche sekundäre Immundefizienz tritt selten auf, und dann vor allem bei Patienten mit schwerer Immunsuppression, insbesondere bei Granulomatose mit Polyangiitis, einer ANCA-Vaskulitis, aber auch bei Lupus.
Welche weiteren Impfungen sind empfehlenswert?
Grundsätzlich gibt die Ständige Impfkomission am Robert Koch-Institut die jeweils gültigen Empfehlungen heraus, darunter sind die Standardimmunisierungen bei Erwachsenen gegen Tetanus, Diphtherie alle zehn Jahre und einmalig im Erwachsenenalter bei normaler Immunisierung in der Kindheit gegen Kinderlähmung und Keuchhusten.
Wichtig ist, dass für Menschen mit Autoimmunerkrankungen unter Immunsuppression keine Altersbeschränkung für die Pneumokokkenimpfung und die Herpes-Zoster-Impfung besteht: Betroffene sollen sich auch impfen lassen, wenn sie noch jünger sind als die sonst übliche Altersgrenze von 60 beziehungsweise 50 Jahren.
Anmerkung der Redaktion: Für Betroffene unter 50 ist eine Herpes-Zoster-Impfung aus rheumatologischer Sicht durchaus empfehlenswert, da Herpes Zoster zum Beispiel bei RA-Patienten unter Therapie mit JAK-Inhibitoren häufig beobachtet wird. Es liegen allerdings noch keine offiziellen Empfehlungen dazu vor. Daher ist die Kostenübernahme unklar.