Allgemein bekannt ist, dass Bluthochdruck, Arteriosklerose, Diabetes und chronische Nierenerkrankungen das Risiko für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erhöhen. Welchen Einfluss aber hat darüber hinaus eine rheumatische Erkrankung? Ist es möglich, einzelne Risikofaktoren zu identifizieren, um diese dann gezielt angehen zu können? Um diese Fragen zu beantworten, sind sogenannte Kohortenstudien und Register geeignet, die eine große Zahl Patienten in der Routineversorgung über lange Zeiträume beobachten. Eine solche Kohorte ist das deutsche Biologika-Register RABBIT (Rheumatoide Arthritis – Beobachtung der Biologika-Therapie), in die Rheumatologen ihre Patienten mit rheumatoider Arthritis einschließen können, wenn eine Umstellung der antirheumatischen Therapie erfolgt. Eine Besonderheit von RABBIT ist die lange Beobachtungszeit.
Sind Patienten einmal in die Kohorte eingeschlossen worden, ist das Ziel, ihre Therapie und ihren Krankheitsverlauf mindestens fünf und idealerweise zehn Jahre lang zu dokumentieren: Der Arzt verzeichnet unter anderem regelmäßig die Krankheitsaktivität der rheumatoiden Arthritis, deren medikamentöse Therapie und das etwaige Auftreten unerwünschter Ereignisse. Der Betroffene macht Angaben zur empfundenen Krankheitslast, beispielsweise der Stärke seiner Schmerzen oder dem Einfluss der Erkrankung auf Alltagstätigkeiten. Außerdem werden soziodemografische Informationen erhoben. Derzeit stehen dem RABBIT-Register Daten von mehr als 18.000 Patienten zur Verfügung. Anhand dieser Daten lassen sich vielfältige wissenschaftliche Fragestellungen untersuchen.
Herzinfarkt im Blick
Eine Auswertung der Registerdaten aus dem Jahr 2016 hatte zum Ziel, Risikofaktoren für das Auftreten eines Herzinfarkts zu untersuchen. Zum Zeitpunkt der Analyse lagen Informationen zu 112 Patienten vor, die während der Beobachtungszeit – und zwar nach durchschnittlich 2,6 Jahren – einen ersten Herzinfarkt erlitten hatten. Diese Patienten waren bei Einschluss in RABBIT im Mittel 64 Jahre alt. 43 Prozent von ihnen waren Männer. Neben der rheumatoiden Arthritis hatten zwei Drittel der Patienten (67 Prozent) mindestens eine der kardiovaskulären Begleiterkrankungen, die auch als Risikofaktoren für Herzinfarkt bekannt sind: 60 Prozent hatten Bluthochdruck, 25 Prozent eine koronare Herzerkrankung, 17 Prozent abnorme Blutfettwerte (Hyperlipoproteinämie) und sechs Prozent eine Herzinsuffizienz.
Bei mehr als einem Drittel der Patienten (36 Prozent) wurde die kardiovaskuläre Begleiterkrankung nicht ausreichend medikamentös behandelt. Patienten, die während der Beobachtungszeit keinen Herzinfarkt erlitten, unterschieden sich wesentlich von den Patienten mit einem Herzinfarkt: Sie waren im Schnitt acht Jahre jünger, der Männeranteil war mit 23 Prozent nur knapp halb so hoch und nur 41 Prozent hatten mindestens eine kardiovaskuläre Begleiterkrankung. 37 Prozent der Patienten hatten Bluthochdruck, sechs Prozent eine koronare Herzerkrankung, acht Prozent Hyperlipoproteinämie und zwei Prozent eine Herzinsuffizienz. In dieser Gruppe erhielt nur jeder fünfte Patient (21 Prozent) keine ausreichende kardiovaskuläre Therapie.
Riskante Entzündung
Um den Einfluss der bereits aus der Allgemeinbevölkerung bekannten kardiovaskulären Risikofaktoren „auszuschalten“ und den zusätzlichen Effekt durch die rheumatische Erkrankung beziehungsweise Therapie spezifischer untersuchen zu können, wurden Patientenpaare gebildet: Beide Patienten eines Paares hatten die gleichen kardiovaskulären Begleit erkrankungen sowie das gleiche Alter und Geschlecht. Sie unterschieden sich nur dadurch, dass der eine Patient einen Herzinfarkt erlitten hatte und der andere nicht. Mit diesem sogenannten Fall-Kontroll-Design kann man untersuchen, wodurch sich diese zunächst sehr ähnlichen Patientenpaare unterscheiden. Dabei zeigte die Analyse des Krankheitsverlaufs, dass Patienten mit einem Herzinfarkt sowohl bereits bei Einschluss in das Register als auch während der gesamten nachfolgenden Beobachtungszeit höhere Entzündungswerte hatten als Patienten ohne einen Herzinfarkt. Eine darauf folgende statistische Analyse bestätigte, dass höhere Werte des Entzündungsmarkers C-reaktives Protein (CRP) mit einem höheren Herzinfarktrisiko einhergehen. Dieses Ergebnis wird durch Untersuchungen in der Allgemeinbevölkerung gestützt, die ebenfalls zeigten, dass erhöhte CRP-Werte ein deutlich höheres Risiko für einen Herzinfarkt anzeigen. Dies gilt unabhängig von weiteren Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder hohen Cholesterinwerten.
Schlaganfall im Fokus
In einer weiteren Analyse der Registerdaten wurden Risikofaktoren für Schlaganfälle, die nicht durch eine Hirnblutung verursacht wurden, bestimmt. Die 163 untersuchten Schlaganfälle traten im Mittel nach 3,8 Jahren auf. Im Durchschnitt waren die Patienten 63 Jahre alt und damit sieben Jahre älter als Patienten ohne einen Schlaganfall. Unterschiede im Geschlecht gab es nicht – in beiden Gruppen war etwa jeder vierte Patient männlich. Bei den kardiovaskulären Begleiterkrankungen zeigte sich ein ähnliches Bild wie beim Herzinfarkt: Fast zwei Drittel der Patienten mit einem Schlaganfall (64 Prozent) hatten bei Einschluss in RABBIT mindestens eine Begleiterkrankung im Vergleich zu 41 Prozent in der Gruppe ohne Schlaganfall. Und auch in dieser Auswertung zeigte sich, dass bei Patienten, die einen Schlaganfall erlitten, die kardiovaskulären Komorbiditäten seltener medikamentös behandelt worden waren.
Den größten Einfluss auf das Schlaganfallrisiko hatten Erkrankungen, die im Vorfeld des Schlaganfalls auftraten. Infektionen, die einen Krankenhausaufenthalt erforderten, erhöhten das Risiko für einen Schlaganfall um mehr als das Vierfache, andere schwerwiegende Erkrankungen um das Zweieinhalbfache. Der Zeitraum von 30 Tagen nach einer Erkrankung ist dabei besonders kritisch: Schlaganfälle traten in dieser Zeit zehnmal häufiger auf als in der Zeit danach. Zusätzlich bergen stärkere Einschränkungen der körperlichen Funktion des Patienten ein höheres Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Umfragen und Interviews zeigen, dass sich die Mehrheit der Patienten mit rheumatoider Arthritis ihres erhöhten Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht bewusst ist. Insbesondere Patienten mit traditionellen kardiovaskulären Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und starkem Übergewicht sowie Raucher unterschätzen ihr eigenes Risiko. Das Wissen um die Zusammenhänge von rheumatoider Arthritis und kardiovaskulären Erkrankungen kann Patienten jedoch helfen, aktiv das eigene Risiko zu reduzieren.
Gut zu wissen
Kardiovaskuläre Erkrankungen und RA Kardiovaskuläre Erkrankungen sind die Haupttodesursache weltweit. Fast jeder dritte Todesfall geht laut der Weltgesundheitsorganisation auf eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zurück. Im Jahr 2016 waren es 17,9 Millionen Menschen. Männer haben ein höheres kardiovaskuläres Risiko als Frauen und ältere Menschen ein höheres als jüngere. Während die beiden Faktoren Geschlecht und Alter nicht beeinflusst werden können, könnte ein Großteil der Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch eine Umstellung des Lebensstils und der Ernährung verhindert werden. Bei Rheumapatienten kommt zusätzlich das höhere Risiko durch die chronische Entzündung hinzu, das sich nur durch eine adäquate und konsequent angewandte anti- entzündliche Therapie reduzieren lässt. Außerdem sollten Rheumapatienten ihren behandelnden Ärzten bereits bestehende kardiovaskuläre Erkrankungen mitteilen und darauf achten, dass diese durch den Rheumatologen oder den Hausarzt therapiert werden.
Über die Autorinnen
Dr. Anja Strangfeld leitet die Forschungsgruppe Pharmakoepidemiologie am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum – einem Leibniz-Institut in Berlin. Dr. Yvette Meißner ist Wissenschaftlerin in dieser Forschungsgruppe.