Sanfte Unterstützung
Die klassische Naturheilkunde bietet bei vielen chronischen Krankheiten eine wunderbare Ergänzung zur etablierten Therapie. Die Säulen der Behandlung sind dabei Phytotherapie, Hydro-Thermotherapie, Bewegungstherapie, Ernährungstherapie sowie Ordnungstherapie. Hinzu kommen insbesondere zur Behandlung chronischer Schmerzen die Neuraltherapie und die „ausleitenden“ Verfahren wie Schröpfkopf- und Blutegelbehandlung.
In der Behandlung der Fibromyalgie unterscheidet man passive Therapiemaßnahmen, die der direkten und kurzfristigen Schmerzlinderung dienen, und aktive Behandlungsbausteine. Dabei vertraut man auf einen Trainingseffekt, der über eine vegetative Umstimmung eine Verbesserung der Schmerztoleranz bewirkt. Einzelne Verfahren aus den Säulen der klassischen Naturheilkunde zeigen sich beim Fibromyalgieschmerz als besonders nützlich.
Eine Maßnahme zur passiven Überwärmung des Körpers mit einem Anstieg der Körpertemperatur bis 40 Grad Celsius ist die sogenannte moderate Ganzkörper-Hyperthermie. Im Gegensatz zur aktiven Hyperthermie, dem Fieber, stellt sie eine Art Hitzestau dar. In der Erwärmungsphase wird Wärme zugeführt und gleichzeitig die regulative Wärmeabgabe reduziert. Beim Schlenzschen Überwärmungsbad nutzt man als Wärmequelle Wasser. Ausgehend von 36 Grad Celsius erhöht sich dabei die Wassertemperatur kontinuierlich auf maximal 43 Grad Celsius. Vergleichbar in der Wirkung ist die sogenannte Infrarothyperthermie. Im Gegensatz zu Sauna oder der einfachen Infrarotkabine mit langwelligem Infrarotlicht wird dabei vergleichsweise kurzwelliges Licht verwendet, das eine größere Tiefenwirkung hat. Dadurch erhöht sich die Körpertemperatur deutlich. Darauf folgt die sogenannte Hitzestauphase, bei der der Körper über ein bis zwei Stunden auf die Ausgangstemperatur abkühlt.
Die Überwärmung führt im Organismus zu einer Reihe Reaktionen, die für den Patienten positiv sind. Vergleichbar ist dies mit einer Trainingstherapie, die gestörte Körperfunktionen normalisiert.
Beim chronischen muskulären Schmerz kommt es zu einer deutlichen Verbesserung der Durchblutung, einer Steigerung des Stoffwechsels, einer muskulären Entspannung, einer Verbesserung der Elastizität und damit zur Dämpfung der Schmerzen. Die Hyperthermie bietet sich besonders für die Patienten an, die von der Kältekammerbehandlung nicht ausreichend profitieren.
Bei lokalisiertem Muskelschmerz – auch muskulärer Hartspann oder „Myogelosen“ genannt – dient die Neuraltherapie nach Huneke zur direkten lokalen Schmerzbehandlung. Besonders bewährt sich das im Wechsel mit der sogenannten Schröpfkopfbehandlung. Schröpfgläser saugen sich aufgrund eines erzeugten Vakuums im Glas an bestimmten Haut-/Muskel- und Bindegewebszonen fest. Dadurch wird das Gewebe stark durchblutet und besser mit Sauerstoff versorgt. Das kann die Schmerzen lindern. In Einzelfällen kann auch bei lokalisierten gelenknahen Schmerzen im Bereich der Sehnen oder des Kapselbandapparats eine Therapie mit Blutegeln helfen. Wickel und Auflagen können beim nicht-entzündlichen muskulären Schmerz die Beschwerden deutlich lindern. Dabei sollte der Patient den Umgang mit Dampfkompressen, Heublumenanwendung oder Kartoffelwickel im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe lernen.
Viele Patienten lehnen Antidepressiva ab. In solchen Fällen kann die Pflanzenheilkunde hilfreich sein: Johanniskraut mit seinem Inhaltsstoff Hypericin oder der Lavendel hilft oft unterstützend im Sinne einer vegetativen Entspannung.
Bei der homöopathischen Behandlung nach Hahnemann versucht der Therapeut, durch einen individuellen Arzneireiz die Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Die Besonderheit liegt darin, dass nicht nur der Schmerz berücksichtigt wird, sondern auch erkennbare Gleichgewichtsstörungen im seelischen, hormonellen oder vegetativen Bereich. Wasser-, Luft- und Lichtreize werden in die Behandlung im Sinne einer Terraintherapie ebenfalls mit einbezogen. Dazu gehören unter anderem Wechselgüsse oder Luftbäder.
Aktive Therapieverfahren verlangen vom Patienten Eigeninitiative und oft auch die Bereitschaft, vertraute Lebensgewohnheiten zu überdenken. Die Ordnungstherapie der klassischen Naturheilkunde stellt den Patienten immer wieder vor die Aufgabe, seine Lebensgestaltung zu hinterfragen. Die medizinische Fragestellung richtet sich dabei nicht alleine darauf, was den Patienten krank macht, sondern vielmehr darauf, was die Heilung fördert.
Aus Sicht der Naturheilkunde befinden sich viele Patienten mit Fibromyalgie in einem Zustand der vegetativen Überstimulation, von dem sie selbst nichts merken. Die körperlichen Alarmreaktionen sind Verspannung, Schweißneigung, Schlafstörungen, Verdauungsprobleme und Ähnliches. Das Ziel der angeführten Maßnahmen ist es, diese überreizte Reaktion des vegetativen Nervensystems zu normalisieren.
Beim schmerzgeplagten Fibromyalgiepatienten sollte es nicht darum gehen, Kraft durch Schonung zu sparen. Vielmehr ist das Ziel, Kraft durch Training zu entwickeln. Konsequente regelmäßige körperliche Aktivität reduziert die Spannung der Muskeln und erhöht ihre Kraft. Bewegung verbessert zudem die seelische und körper - liche Belastbarkeit. Insbesondere das Ausdauertraining (Walken, Radfahren, Joggen, Schwimmen) führt zu positiven körperlichen und seelischen Effekten. Ziel sollten vier Bewegungseinheiten á 30 Minuten pro Woche sein, bei denen sich der Puls messbar auf mindestens 120 Schläge pro Minute erhöht. Zu warnen ist allerdings vor Überlastung: 40 bis 70 Prozent der Maximalleistung sind optimal – getreu dem Motto „Laufen, ohne zu schnaufen“. Das moderate Ausdauertraining sollte unbedingt individuelle Leistungsgrenzen berücksichtigen. Wer keine Zeit für Sport hat, sollte zumindest jeden Tag mit einem Schrittzähler seine Alltagsbewegungen überprüfen. Ziel sollte es sein, am Tag 10.000 Schritte zu tun.
Wer keinen Zugang zu autosuggestiven Verfahren wie autogenes Training findet, für den eignen sich häufig eher sogenannte körperorientierte Verfahren, etwa die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson oder die Eutonie. Eutonie (Eu = harmonisch, Tonus = Spannung) ist die Schulung der Selbstwahrnehmung und Wiederherstellung eines natürlichen Spannungszustandes durch Haltungs-, Dehnung- und Bewegungsübungen.
Der Körper schützt sich vor Übersäuerung durch natürliche Puffersysteme. Nach Ansicht der Naturheilkunde entstehen besonders beim Verzehr tierischer Lebensmittel ausscheidungspflichtige Säuren durch den Abbau schwefel- und phosphorhaltiger Verbindungen. Pflanzliche Lebensmittel dagegen haben „basische“ Eigenschaften und dienen als „Säurepuffer“. Die Naturheilkunde geht davon aus, dass eine säurebetonte Lebensweise durch den Verzehr tierischer Lebensmittel, Alkoholkonsum sowie ferner durch Bewegungsmangel und Stress entsteht. Sie empfiehlt eine gesunde sowie basenbetonte Ernährung:
- zwei- bis dreimal pro Woche magere Fleischmahlzeiten
- fünfmal täglich Obst und Gemüse
- ballaststoffreiche Lebensmittel
- Reduktion der sogenannten isolierten Kohlenhydrate (Zucker, Weißmehl)
- zweimal wöchentlich fetter Seefisch
Ein multimodales Behandlungskonzept der Fibromyalgie ist die stationär durchgeführte naturheilkundliche Komplexbehandlung. Die Kombination passiver und aktiver Therapien in hoher Dichte führt zusätzlich zu den therapeutischen Effekten zu Synergieeffekten, die die Wirksamkeit der Therapien steigern. Patienten mit hoher Krankheitsaktivität und großem Leidensdruck bieten die klassischen Naturheilverfahren durchaus eine wertvolle Ergänzung zur etablierten Therapie.
Zum Autor
Der Internist Dr. Artur Wölfel ist Ärztlicher Leiter am Krankenhaus für Naturheilwesen in München.
Ratgeber über Fibromyalgie
Die Deutsche Rheuma-Liga hat mehrere Publikationen über Fibromyalgie herausgebracht. Diese können Sie auf der Internetseite herunterladen und bei den Landes- und Mitgliedsverbänden bestellen.