Nahrungsergänzungsmittel: Kleines Plus für die Gesundheit
Menschen mit einer rheumatischen Erkrankung haben aufgrund der chronischen Entzündung einen höheren Nährstoffbedarf. Doch das bedeutet nicht automatisch grünes Licht für Nahrungsergänzungsmittel aller Art.
Bekomme ich genug Nährstoffe? Die üblichen Referenzwerte und Empfehlungen gelten stets nur für gesunde Personen. Patienten mit rheumatischen Erkrankungen haben einen anderen Nährstoff bedarf als Gesunde und ihre Kost bedarf einiger Modifikationen, um den vermehrten Energiebedarf, den krankheitsbezogenen Mehrbedarf an Spurenelementen und Vitaminen zu berücksichtigen und die Kost entsprechend der dauernden Entzündung abzugleichen. Daneben gilt es, Rheuma assoziierte Begleiterkrankungen zu erkennen und zu behandeln.
Entzündung steigert Energiebedarf
Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Entzündungen, wie sie bei Rheuma auftreten, den Energiebedarf um etwa 20 Prozent im Vergleich zu Gesunden steigern. Rheumatiker könnten deshalb eigentlich mehr essen. Leider erschweren die Schmerzen eine ausreichende körperliche Betätigung oft, weshalb die Muskelmasse klein ist. Eine geringe Muskelmasse senkt den Grundumsatz und die zugeführte Energie wird in Körperfett umgewandelt.
Dem kann man nur durch körperliche Aktivität entgegensteuern. Jede Art der körperlichen Akti vität, von der krankengymnastischen Übungsbehandlung bis hin zu Sportarten, die nicht die Gelenke belasten, trägt dazu bei, den Stoffwechsel zu bessern. Keinesfalls darf dabei aber ein Gelenk überlastet werden. Sobald Schmerzen auftreten, war es schon zu viel des Guten. Am besten sind kurze Aktivitäten, die mehrfach wiederholt werden (Intervalltraining).
Zu wenig Antioxidantien
Der Entzündungsprozess geht mit der Bildung großer Mengen von Sauerstoffradikalen einher. Diese Sauerstoffradikale müssen durch Antioxidantien neutralisiert werden, um Schädigungen an den Gelenken und gelenknahen Strukturen zu vermeiden. Antioxidantien sind in aller Munde – aber Vorsicht: nicht zu viel davon. Einerseits zeigen alle Studien, dass Antioxidantien, wie Vitamin C und E, ebenso wie die Spurenelemente Selen und Zink im Defizit sind.
Andererseits steht eindeutig fest, dass die Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln in hohen Dosen für keines dieser Antioxidantien ein gutes Ergebnis brachte. Vielmehr geht eine Dosierung von Vitamin E oder C über 300 Milligramm pro Tag sogar mit gesundheitlichen Risiken einher. Das Spurenelement Selen bildet eine Ausnahme, weil bisher noch keine schädlichen Wirkungen bei moderaten Dosierungen beobachtet wurden. Selen hat aber eine geringe therapeutische Breite. Die Dosierung von 200 Mikrogramm (μg) pro Tag sollte nicht längere Zeit überschritten werden.
Vitamine per Pille?
Nach wie vor gilt für Gesunde, dass zwar eine vollwertige Kost, aber keine Supplemente erforderlich sind. Dies kann jedoch nicht ohne Weiteres auf Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen übertragen werden. Eine ausgewogene Kost mit Früchten und Gemüse gewährleistet zwar eine ausreichende Zufuhr von Vitaminen auch für Rheumapatienten. Über die Nahrung kann man jedoch nicht mehr als 19 Milligramm Vitamin E täglich zu sich nehmen. Um die Blutspiegel des Vitamin E von Rheumakranken in den wünschenswerten Bereich anzuheben, sind pro Tag ungefähr 100 bis 200 Milligramm Vitamin E erforderlich. Wer ausgewogen und vollwertig isst, erhält durch die Nahrung etwa 50 Mikrogramm Selen täglich. Nahrungsergänzungsmittel mit 50 bis 100 Mikrogramm täglich können den Mehr - bedarf bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen decken.
Eine besondere Rolle spielt die Folsäure, die zwar kein Antioxidans ist, jedoch den Homocysteinspiegel senken kann. Der Eiweißbaustein Homocystein ist ein eigenständiger Risikofaktor für das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, aber auch beim Lupus erythematodes und anderen rheumatischen Erkrankungen doppelt so häufig wie bei Gesunden auftreten. Unsere Nahrung enthält nur geringe Mengen Folsäure. Besonders für Frauen im gebärfähigem Alter empfehlen Experten Nahrungsergänzungsmittel mit 400 Mikrogramm Folsäure täglich, um Missbildungen bei einer Schwangerschaft vorzubeugen. Auch ältere Menschen können ihren Folsäurespiegel im Blut bestimmen lassen, um einen etwaigen Mangel aufzudecken.
Vorsicht mit Eisen
Patienten mit aktiver Entzündung zeigen meist die Symptome einer Blutarmut und niedrige Eisenspiegel. Weil manche Rheumamedikamente dazu führen, dass der Körper Eisen über den Darm verliert, kann zwar durchaus eine Anämie auftreten. Doch bei der Einnahme von Eisentabletten ist für Patienten mit rheumatischen Erkrankungen Vorsicht geboten, denn das Spurenelement kann den Entzündungsprozess zusätzlich anheizen. Die Ernährungsweise kann jedoch dazu beitragen, die Entzündung insgesamt einzudämmen und damit auch die Blutarmut zu verbessern.
Die meisten Menschen wissen, dass eine ausreichende Aufnahme von Kalzium und Vitamin D für gesunde Knochen unabdingbar ist. In den vergangenen fünf Jahren haben Wissenschaftler jedoch erkannt, dass Vitamin D wesentlich mehr kann. So vermindert Vitamin D das Sturzrisiko, indem es auch die Muskelfunktion reguliert. Ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel kann außerdem vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen und das Leben verlängern. Doch auch für Vitamin D gilt: Zu viel ist zu viel. Sehr hohe Blutspiegel ließen die Gesamtsterblichkeit älterer Menschen ansteigen, während erhöhte, wünschenswerte Blutspiegel die Sterberate von älteren Menschen um 50 % senken konnten. Besonders interessant ist die Entdeckung, dass Vitamin D Psoriasis und andere entzündlich-rheumatische Erkrankungen günstig beeinflussen kann, da es die Bildung von entzündungsfördernden Botenstoffen im Körper vermindert.
Mineralien stärken Knochen
Die Osteoporose ist eine regelmäßige Folge entzündlich-rheumatischer Erkrankungen, der von Anbeginn durch eine knochenfreundliche Ernährung vorgebeugt werden muss. Neben Vitamin D und Kalzium spielen eine ganze Reihe von Vitaminen und Spurenelementen bei der Verhütung der Osteoporose eine große Rolle. Vitamin C begünstigt die Reifung und die Bildung der Knochensubstanz und erhöht die Kalziumaufnahme aus dem Darm. Vi tamin K ist notwendig zur Anheftung des Kalziums an die Knochengrundsubstanz, Vitamin B12 und Folsäure senken den Homocystein-Spiegel, der ebenfalls das Osteoporose- Risiko erhöht. Und auch die Folsäure spiegel im Blut scheinen Auswirkungen auf die Knochendichte zu haben.
Doch die Knochen benötigen zudem eine ausreichende Zufuhr von Mineralstoffen. Kalzium stellt zwar 20 Prozent der Knochenmasse und ist damit das bedeutendste Mineral für die Knochengesundheit. Eine ausreichende Versorgung mit Magnesium ist aber ebenso wichtig, da es Vitamin D aktiviert und die Mineralisationsdichte des Knochens steigert. Zahlreiche weitere Mineralstoffe wie Bor, Kupfer, Mangan, Silicat, Strontium, Fluor und Phosphor sind für die Knochengesundheit unentbehrlich. Eine vollwertige Ernährung liefert jedoch ausreichend dieser Mineralstoffe. Hervorzuheben ist Zink, welches für die Ausbildung der Knochensubstanz (Matrix) wichtig ist und oft in der Nahrung zu wenig enthalten ist.
Autor: Prof. Olaf Adam ist Internist und Ernährungsmediziner mit dem Schwerpunkt Stoffwechsel und Ernährung und Präsident der Deutschen Akademie für Ernährungsmedizin. Er war langjähriger Leiter der ernährungsmedizinischen Abteilung an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
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