Das Rezept des Arztes oder der Ärztin ist in der Apotheke eingelöst. Daheim angekommen, sind viele Patientinnen und Patienten meist geneigt, sofort den Beipackzettel aus der Medikamentenpackung zu nehmen und diesen zu entfalten. Eine umfangreiche, klein gedruckte Textwüste eröffnet sich unserem Auge. Vieles davon ist auf den ersten Blick nicht zu verstehen.
In der Packungsbeilage oder auch Gebrauchsinformation sind Informationen zu Anwendungsgebieten, Einnahmeempfehlungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und Gegenanzeigen, Aufbewahrungs- und Wirkstoffinhalten enthalten. Es gilt, die aufgeführten Zahlen richtig zu interpretieren. Dabei kann ein aufklärendes Gespräch in der Apotheke oder beim Arzt oder bei der Ärztin helfen.
Angst vor Nebenwirkungen
Viele Patientinnen und Patienten schrecken angesichts der aufgeführten möglichen Nebenwirkungen zurück. Unter dieser Rubrik müssen alle aufgeführt werden, die jemals in Zusammenhang mit dem Medikament aufgetreten sind. Teilweise werden sie gruppiert nach der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens. Das umfasst meist die Zeitspanne von der ersten Studie bis zur Zulassung eines Medikamentes, aber auch die Zeit danach, wenn das Präparat schon im Umlauf ist. Da wir Menschen und unsere Körper verschieden sind, kann es sein, dass ein Betroffener oder eine Betroffene ein Medikament gut verträgt und es wirksam ist, bei einem anderen oder einer anderen beim gleichen Medikament aber genau das Gegenteil passiert.
Warum sind viele Menschen eigentlich geneigt, sofort die möglichen Nebenwirkungen zu lesen? Das kann sehr viel Angst erzeugen. Als Laien können wir doch oft gar nicht einschätzen, warum der Arzt oder die Ärztin uns das Präparat verordnet hat. Außerdem kann die Sorge um mögliche Nebenwirkungen dazu führen, dass man das Medikament gar nicht mehr nehmen möchte oder eigenmächtig die Dosis reduziert. Ein Teufelskreis, da der Arzt oder die Ärztin davon ausgeht, dass man alles so einnimmt wie verordnet. Somit nimmt das vorangegangene Aufklärungsgespräch zwischen behandelndem Arzt oder behandelnder Ärztin und Patientinnen und Patienten eine zentrale und wichtige Rolle ein.
Doch leider fehlt beim Sprechstundentermin oft die nötige Zeit für ein ausführliches Gespräch.
Mitdenken und Akzeptieren
Ich bin selbst eine Kandidatin, die zunächst skeptisch ist, wenn Medikamente umgestellt werden müssen. Das resultiert sicher aus der Anfangszeit meiner inzwischen 40 Jahre dauernden rheumatoiden Arthritis. Anfang der 1990er-Jahre schlug keine damals zugelassene Medikation bei mir an. Ständig musste ich insbesondere die Basismedikation ändern. Das war frustrierend, musste ich zusätzlich hilflos zusehen, wie die Erkrankung meinen Körper immer mehr zerstörte, während ich mich wie ein Versuchskaninchen fühlte. Ein ausführliches Gespräch mit meinem Rheumatologen half mir, mich mit der wieder veränderten Situation anzufreunden. Ich bekam stets genügend Zeit, die neuen Informationen sacken zu lassen und Ängste auszusprechen.
Sehr gut erinnere ich mich, dass ein sehr empathischer Arzt in einer Rheumaklinik mich durchschaute. Er fasste es so zusammen: „Ich weiß, dass Sie Ihre Zeit brauchen. Erst sagen sie Nein zum Vorschlag. Sie müssen sich erst einmal mit der neuen Situation vertraut machen und anfreunden. Letztendlich stimmen Sie dann der Medikation doch zu.“ Er hatte recht! Aber es ist menschlich, Ängste zu haben. Wir sollten diese auch zulassen dürfen.
Ähnlich erging es mir, als ich das erste Mal Methotrexat (MTX) nehmen sollte. Ja, dieses Medikament wird auch in der Krebstherapie eingesetzt, doch ganz anders und höher dosiert. Allein schon die Erwähnung der Schlagworte Chemotherapie und Krebs oder seine charakteristische gelbe Farbe können Angst hervorrufen. Doch all das sind keine Gründe, dieses gut wirksame Medikament abzulehnen.
Vielleicht ist es genau die Medikation, die Ihre Krankheitssymptome stoppen kann? Das kann auch für Kortison gelten. Kortisonhaltige Medikamente werden in der Rheumatologie nur noch so kurz wie möglich und so gering dosiert wie nötig eingesetzt. Nicht jede Tablette oder Injektion schwemmt unsere Körper sofort auf und macht uns dick.
Vorsicht vor Dr. Google!
Heutzutage sind wir geneigt, in allen Fragen zuerst das Internet zu befragen. Doch „Dr. Google“ ist eine Suchmaschine, hat weder Medizin studiert, noch kennt sie unsere ganz individuelle Situation und unsere Bedürfnisse. Trotz vielfältiger Probleme im Gesundheitssystem, langer Wartezeit auf einen Termin beim Facharzt oder bei der Fachärztin oder wenig Zeit in der Sprechstunde: Unser behandelnder Arzt sollte unser wichtigster und erster Ansprechpartner sein und bleiben.
Autorin: Christiane Wendel, Redakteurin der Mitgliederzeitschrift "mobil"
Dieser Text erschien zuerst in der Mitgliederzeitschrift "mobil", Ausgabe 2-2024. Sechs Mal im Jahr erhalten nur Mitglieder der Deutschen Rheuma-Liga die Zeitschrift (jetzt Mitglied werden).