Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit juveniler idiopathischer Arthritis (kurz: JIA) hat sich in den letzten Jahren gravierend geändert.
Neue, gezielt in den rheumatischen Entzündungsprozess eingreifende Medikamente wurden entwickelt und für die Behandlung von Kindern mit bestimmten Rheumaformen zugelassen. Dazu gehören beispielsweise Tumornekrosefaktor-(TNF-) oder Janus kinase-Inhibitoren. Dabei handelt es sich um krankheitsmodifizierende Medikamente (Disease Modifying Antirheumatic Drugs, kurz: DMARDs), auch Basismedikamente genannt. Sie verhindern das Voranschreiten der rheumatischen Erkrankung und bringen sie idealerweise zum Stillstand.
Bewährtes Basismedikament
DMARDs für rheumakranke Kinder gibt es bereits seit den 1960er-Jahren. Die ersten eingesetzten Substanzen waren Gold, Chlorochin und Penicillamin. Seit den 1990er-Jahren ist MTX das am häufigsten eingesetzte und wichtigste krankheitsmodifizierende Medikament bei den meisten Formen der JIA (etwa der Oligo- oder Polyarthritis). Es ist auch bei der Uveitis (Iridozyklitis, Regenbogenhautentzündung) das Medikament der ersten Wahl, wenn Augentropfen allein nicht ausreichen.
Etwa zehn bis 15 Prozent der Kinder mit JIA bekommen diese Augenkomplikationen. Von den über 7.000 kinderrheumatologisch behandelten Kindern und Jugendlichen mit JIA, die in der bundesweiten Kerndokumentation erfasst werden, erhalten derzeit über die Hälfte DMARDs, 40 Prozent MTX. Dessen Einsatz ist mit dem Vormarsch der neuen Substanzen – der biologischen DMARDs – etwas zurückgegangen.
Aber MTX gilt nach wie vor als Goldstandard in der JIA-Therapie. MTX ist auch das bevorzugte Medikament für die Kombination mit Biologika. Es kann deren Wirkung verstärken – etwa bei TNF-Inhibitoren – und das Auftreten von Antikörpern gegen diese Medikamente (etwa bei Adalimumab) verhindern.
Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts weiß man, dass MTX in niedriger Dosis entzündungshemmend wirkt. Dieser Effekt erfolgt über die vermehrte Bildung von Adenosin, einer stark entzündungshemmend wirkenden Substanz. Bei Kindern mit chronischen Gelenkentzündungen wurde dessen Wirksamkeit in den frühen 1990er-Jahren wissenschaftlich belegt. Zugelassen wurde MTX für die Therapie von Kindern mit polyartikulärer JIA jedoch erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Die Wirkung von MTX setzt langsam ein und ist erst nach sechs bis acht Wochen spür- und erkennbar.
Nach sechs Monaten Behandlung haben etwa zwei Drittel bis drei Viertel der Kinder auf die Therapie angesprochen. MTX wirkt nicht bei allen Rheumaformen gleichermaßen. Besonders gut hilft es gegen Oligo- und Polyarthritis. Wirksam ist es auch in der Behandlung der Uveitis und kann sogar deren Auftreten verhindern. Weniger effektiv ist es hingegen bei Kindern mit systemischer Form der JIA oder Heranwachsenden mit Enthesitis-assoziierter Arthritis und Wirbelsäulenbeteiligung (zum Beispiel Kreuzdarmbeinentzündung – Sakroiliitis).
Früher ist besser
MTX wirkt um so besser, je früher es im Krankheitsverlauf eingesetzt wird. Umso schneller eine inaktive Erkrankung eintritt, desto besser ist der Verlauf der Erkrankung und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Therapie wieder abgesetzt werden kann.
Wird die Therapie mit MTX bei einer Remission (inaktiven Erkrankung) abgesetzt, kann die Entzündung Wochen oder Monate später wieder aufflammen, da die Wirkung des MTX langsam abklingt. In der Regel sprechen die betroffenen Kinder und Jugendlichen gut auf die erneute MTX-Therapie an. Knapp die Hälfte der Patientinnen und Patienten erreicht nach Wiederbeginn der Therapie innerhalb von zwölf Monaten erneut eine inaktive Erkrankung.
Spritzen statt schlucken?
MTX wird bei Kindern und Jugendlichen bezogen auf die Körperoberfläche dosiert, die sich aus Körpergewicht und Körperlänge ergibt. In der Regel beträgt die Dosis (10) – 15 – (20) mg/m2 Körperoberfläche, die als Tablette oder Spritze beziehungsweise Pen einmal pro Woche verabreicht wird.
Die empfohlene Startdosis liegt bei 15 mg/m Körperoberfläche pro Woche. Die Körperoberfläche ergibt sich aus Körpergewicht und -länge und kann von Kinderrheumatologinnen und Rheumatologen leicht ermittelt werden. Die absoluten Dosen liegen bei Kindern und Jugendlichen zwischen 5 bis maximal 20 mg (selten 25 mg) pro Woche.
Das Ausmaß und die Geschwindigkeit, mit der das MTX in den Blutkreislauf und in die Zellen gelangt, ist individuell sehr unterschiedlich und kann durch Nahrung, Medikamente (wie Magensäureblocker) oder Alkohol beeinflusst werden. Man weiß, dass die MTX-Aufnahme in den Körper bei höheren Dosen schlechter ist. Deshalb wird ab einer Dosis von 15 mg die Gabe per Spritze/Pen bevorzugt.
Für Erwachsene mit Rheuma wurde in wissenschaftlichen Untersuchungen belegt, dass die MTX-Spritzen wirksamer als Tabletten sind. Wenn Tabletten nicht ausreichend wirken, kann man die Therapie auf Spritzen umstellen – bei über der Hälfte von Kindern mit JIA wirkt die Therapie dann. Eine MTX-Behandlung erfolgt oft kombiniert mit Folsäure (5 mg circa 24 Stunden nach MTX-Einnahme), um Nebenwirkungen wie Übelkeit, eine Mundschleimhautentzündung oder Leberwerterhöhungen zu vermeiden. Zwei kleinere Untersuchungen zeigten dabei keine relevante Wirkminderung von MTX durch Folsäure.
Nebenwirkung: Übelkeit
MTX ist in der Langzeitanwendung im Kindes- und Jugendalter eine relativ sichere Substanz. Es führt sehr selten zu schweren Nebenwirkungen. Dennoch sind Nebenwirkungen im Rahmen der Anwendung möglich und häufig. Über die Hälfte der Kinder und Jugendlichen entwickelt mit zunehmender Dauer der Anwendung Beschwerden des Magen-Darm-Traktes mit Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen.
Die Kinder berichten über eine Abneigung, ein Ekelgefühl gegenüber MTX, was auch als subjektive MTX-Unverträglichkeit bezeichnet wird. Veränderungen der Laborwerte gehen damit nicht einher. Die subjektive MTX-Unverträglichkeit unterliegt einer Konditionierung – betroffenen Kindern wird schon vor der Spritze übel oder allein schon beim Gedanken an das Medikament oder seine gelbe Farbe. Diese subjektive „Intoleranz“ ist das Hauptproblem in der Langzeitanwendung von MTX bei Kindern. Sie beeinträchtigt die Therapietreue und führt nicht selten zum Absetzen des Medikamentes.
Eine effektive Strategie zur Bekämpfung dieser Nebenwirkung gibt es bisher nicht. Versucht werden unter anderem ein Wechsel der Darreichungsform von Tablette oder Saft auf Spritze oder Pen, die MTX-Gabe abends oder am Wochenende, kognitive Verhaltenstherapien, die Gabe von Medikamenten gegen Übelkeit (zum Beispiel Ondansetron) oder eine pharmakologische Konditionierung.
Mit einer EMDR-Therapie wurden einige gute Erfahrungen gemacht. EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing, was Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung bedeutet. Dabei handelt es sich um eine etablierte Psychotherapiemethode, die ihren Ursprung in der Traumatherapie hat. Eine Behandlung besteht aus acht Sitzungen innerhalb von zwei Wochen.
In einer kleinen Studie besserten sich die Beschwerden von jedem zweiten betroffenen Kind. Darüber hinaus können unter MTX Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schleimhautentzündungen im Mund, Hautausschläge oder Lichtüberempfindlichkeit auftreten. Meist milde und vorübergehende Leberwerterhöhungen können ebenfalls beobachtet werden. Regelmäßige Laborkontrollen werden deshalb empfohlen, sind aber seltener nötig als bei Erwachsenen. Kontrollen sollten einmal innerhalb der ersten vier bis acht Wochen nach Start und danach alle drei bis vier Monate erfolgen. MTX beeinträchtigt nicht die Fruchtbarkeit, kann aber zu Fehlbildungen führen. Deshalb sollten Jugendliche bei Bedarf verhüten.
Wichtige Impfungen
Das Risiko für Infektionen ist bei Kindern und Jugendlichen unter MTX nicht relevant erhöht. Da Rheumapatienten allerdings grundsätzlich ein höheres Risiko für Infektionen haben, ist ein vollständiger Impfstatus ratsam. Das gilt insbesondere auch für Windpocken. Die jährliche Grippeschutzimpfung wird zudem empfohlen. Totimpfstoffe, auch Covid-19-Impfstoffe, können unter MTX uneingeschränkt verabreicht werden
Autorin: Prof. Kirsten Minden. Die Kinderrheumatologin arbeitet am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin und der Charité Universitätsmedizin Berlin.
Dieser Text erschien zuerst in der Mitgliederzeitschrift "mobil", Ausgabe 3-2023. Sechs Mal im Jahr erhalten Mitglieder der Deutschen Rheuma-Liga die Zeitschrift direkt nach Hause (jetzt Mitglied werden).
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