Schwangerschaft und Rheuma
Das Thema Schwangerschaft und Rheuma beschäftigt viele junge Rheumabetroffene. Die Rheumatologin Dr. Susanna Späthling-Mestekemper beantwortet an dieser Stelle die wichtigsten Fragen.
Dürfen Schwangere Medikamente einnehmen? Was ist mit der Basistherapie bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen?
Einerseits gibt es Medikamente wie Methotrexat, von denen wir wissen, dass sie zu einer erhöhten Fehlbildungsrate mit einem bestimmten Fehlbildungsmuster bei Einnahme in der Schwangerschaft führen können. Diese Medikamente sind unverändert in der Schwangerschaft verboten und sollten rechtzeitig vor einer Schwangerschaft abgesetzt werden.
Andererseits werden im Gegensatz zu früher viele Schwangerschaften bei Frauen mit entzündlichen Rheumaerkrankungen überhaupt erst dadurch möglich, dass es Rheumamedikamente gibt, die in der Schwangerschaft weiter eingenommen werden können. Denn eine sehr wichtige Voraussetzung für einen komplikationslosen Verlauf für Mutter und Kind in der Schwangerschaft ist eine möglichst niedrige Krankheitsaktivität während eines Zeitraums von drei Monaten bis zu einem Jahr vor der Empfängnis, abhängig von der Art und Schwere der entzündlichen Rheumaerkrankung.
In aller Regel ist das nur mithilfe von Rheumamedikamenten möglich. Eine Therapie mit Kortison ist wegen der möglichen Nebenwirkungen auf die Mutter beziehungsweise das Kind keine ideale Therapie. So drohen zum Beispiel der Mutter Osteoporose und eine erhöhte Infektanfälligkeit. Das Baby leidet bei einer Kortisontherapie häufiger an einem niedrigen Geburtsgewicht. Außerdem ist bei Kortisongabe die Rate von Fehlgeburten erhöht. Kortison sollte daher am besten nur zeitweise als „Feuerwehrmedikament“ oder möglichst niedrig dosiert eingesetzt werden.
Die Datensammlungen zum Einsatz von Basismedikamenten in der Schwangerschaft haben sich in den letzten zehn Jahren schon dramatisch verbessert. Trotzdem gibt es immer noch zu wenig Daten, um die Fachinformationen (Beipackzettel) entsprechend zu ändern. Deshalb sind die meisten Basistherapien, die inzwischen sogar gezielt in der Schwangerschaft eingesetzt werden, laut Beipackzettel nicht in der Schwangerschaft erlaubt. Lassen Sie sich dadurch nicht verunsichern!
Durch eine Vielzahl an gesammelten Daten aus Registern und Veröffentlichungen konnten inzwischen sogar Empfehlungen ausgesprochen werden, welche Medikamente in der Schwangerschaft einsetzbar sind und welche nicht. Diese Informationen stimmen nicht immer mit den Empfehlungen im Beipackzettel überein. Zuletzt wurden die Britischen Empfehlungen 2023 veröffentlicht.
Vor einer geplanten Schwangerschaft sollten sich deshalb betroffene Patientinnen und gegebenenfalls auch ihre Partner eingehend von ihren Rheumatologinnen und Rheumatologen beraten lassen, um gemeinsam ein gutes Therapiekonzept für die Zeit des Kinderwunsches, der Schwangerschaft und der Stillzeit zu erstellen.
Werden Frauen mit Rheuma schwerer schwanger als gesunde Frauen?
Rheumapatientinnen können in aller Regel genauso leicht oder schwer schwanger werden wie gesunde Frauen. Allerdings gilt das nur dann, wenn die Rheumaerkrankung gut eingestellt und inaktiv ist. Eine hohe Krankheitsaktivität ist verbunden mit einer deutlich schlechteren Chance auf ein Baby.
Es ist daher ratsam, die Schwangerschaft unter einer effektiven und mit der Schwangerschaft vereinbaren Therapie zu planen. Hohe Dosen an Kortison sind auch hier nicht hilfreich. Medikamente beeinflussen die Fruchtbarkeit der Frauen übrigens selten. Eine Ausnahme ist Cyclophosphamid. Außerdem können Ibuprofen oder Diclofenac in hohen Dosen die Fruchtbarkeit senken, wenn man sie um den Eisprung herum einnimmt.
Viel häufiger ist das Alter für Frauen der limitierende Faktor. Vielen Frauen ist nicht bewusst, dass die Fruchtbarkeit ab dem 35. Lebensjahr zunehmend schlechter wird. Die Messung des sogenannten Anti-Müller-Hormons allein als Ausdruck der Fruchtbarkeit einer Frau ist mit großer Vorsicht zu genießen, vor allem bei jungen Frauen. Auch wenn das Hormon vermindert ist – was oft bei Rheumapatientinnen der Fall ist – heißt das noch lange nicht, dass die Frauen schwerer oder gar nicht schwanger werden können.
Bei manchen Erkrankungen kann es unter bestimmten Umständen zu einer erhöhten Fehlgeburtsrate kommen, beispielsweise bei dem Nachweis von Antiphospholipid-Antikörpern. Wir wissen um diese Risikofaktoren und versuchen, Frauen mit solchen Risikofaktoren rund um die Schwangerschaft besonders zu schützen. Das zeigt nochmals, wie wichtig eine Beratung und gemeinsame Therapieplanung vor der Schwangerschaft ist. Ganz allgemein ist auch hier eine möglichst niedrige Krankheitsaktivität der beste Schutz vor Komplikationen wie Fehl- oder Frühgeburten.
Dürfen rheumabetroffene Mütter stillen?
Heutzutage ist es auf alle Fälle möglich, eine Therapie für Rheumapatientinnen zu finden, die das Stillen erlaubt. Denn Stillen bietet viele Vorteile für Kind und Mutter. Das Kind erhält eine Immunität und eine optimale Ernährung.
Das Risiko für den plötzlichen Kindstod ist bei gestillten Kindern reduziert. Bei der Mutter führt es zu einer Verkleinerung der Gebärmutter, einem reduzierten Risiko für Brust- und Eierstockkrebs, Diabetes und Hypertonie. Insofern ist Stillen immer dann zu empfehlen, wenn es möglich ist.
Welche Medikamente können in der Stillzeit eingenommen werden und welche nicht?
Informationen auf dem Beipackzettel sind zu allgemein gehalten. Sie sind meist zur Absicherung der Hersteller verfasst und bieten deshalb keine gute Entscheidungshilfe. Auch in diesem Fall empfiehlt sich deshalb eine eingehende Beratung durch Rheumatologen oder Rheumatologinnen. Im Prinzip kann man auf alle Fälle schon mal davon ausgehen, dass die Medikamente, die in der Schwangerschaft eingesetzt werden, auch in der Stillzeit weitergenommen werden können.
Eine andere gute Informationsquelle ist das Internetportal embryotox. Es liefert unabhängige und gesicherte Informationen zu Medikamenten, die mit dem Stillen und auch einer Schwangerschaft vereinbar sind. Dahinter steckt das Embryotoxikologische Institut Berlin.
Ganz allgemein ein Tipp: Um die Medikamentenaufnahme über die Muttermilch für den Säugling zu minimieren, empfiehlt es sich, dass die Mutter das Medikament im Augenblick des Stillens einnimmt. Bis zum nächsten Stillen ist dann die Halbwertszeit der meisten Medkamente vergangen und ein Übergang in die Muttermilch damit am geringsten.
Werden Kinder von Rheumapatientinnen häufiger mit Fehlbildungen geboren als Kinder von gesunden Frauen?
Egal, um welche entzündliche Rheumaerkrankung es sich handelt, es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass eine dieser Erkrankungen ein Risikofaktor für eine erhöhte Fehlbildungsrate ist.
Ist eine Rheumaerkrankung erblich?
Tatsächlich wurde bei fast allen entzündlichen Rheumaerkrankungen ein erhöhtes relatives familiäres Risiko für Rheumaerkrankungen gefunden. Je nachdem, welche Studie man liest, schwanken dazu die Zahlen sehr stark.
So scheint das Risiko von Kindern von Patientinnen und Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), ebenfalls an RA zu erkranken, um den Faktor 3 gegenüber der gesunden Bevölkerung erhöht zu sein.
Bei Kindern von Patientinnen und Patienten mit einer ankylosierenden Spondyloarthritis (Morbus Bechterew) ist das Risiko um den Faktor 23 bis 25 und bei Kindern von Lupus-Patientinnen und -Patienten um den Faktor 8 erhöht. Dies sind nur einige Beispiele.
Letztendlich können bei allen Autoimmunerkrankungen Genvariationen gefunden werden, die das Risiko für die entsprechende Krankheit erhöhen. Bei vielen dieser Erkrankungen finden sich dieselben genetischen Varianten, sodass das Risiko für Autoimmunerkrankungen ganz allgemein bei den Kindern erhöht ist und eher nicht für eine bestimmte Erkrankung. Des Weiteren scheint die Epigenetik eine große Rolle dafür zu spielen, ob eine entzündliche Rheumaerkrankung ausbricht oder nicht.
Unter Epigenetik versteht man die Beeinflussung des Ablesens der Gene durch intrazelluläre enzymatische Vorgänge. Außerdem sind Umweltfaktoren sowie Rauchen und Stress von Bedeutung dafür, ob und wenn ja, wann die Erkrankung ausbricht.
Verschlechtern sich Rheumaerkrankungen während der Schwangerschaft?
Verschiedene Rheumaerkrankungen können sich ganz unterschiedlich während der Schwangerschaft verhalten. Bei der rheumatoiden Arthritis beispielsweise kann es im Verlauf der Schwangerschaft eher zu einer Verbesserung der Erkrankung kommen. Das gilt allerdings nur dann, wenn die Erkrankung zum Zeitpunkt der Konzeption gut eingestellt war.
Patientinnen mit systemischem Lupus erythematodes dagegen müssen in der Schwangerschaft engmaschiger überwacht werden, da ihre Erkrankung gerade in der Schwangerschaft zu Schüben neigen kann. So viel wir wissen, ist der Verlauf der Erkrankung bei Patientinnen mit einer Psoriasis-Arthritis von der Schwangerschaft vollkommen unbeeinflusst.
Müssen sich rheumabetroffene Frauen in der Schwangerschaft schonen und auf Sport verzichten?
Auf keinen Fall Sport? Von wegen! Sport in der Schwangerschaft ist nicht schädlich, sondern gesund für Mutter und Kind. Das gilt auch für Schwangere mit entzündlichen Rheumaerkrankungen. Grundsätzlich kommen bei Rheuma alle Sportarten in Frage, die die Gelenke nicht übermäßig belasten.
Moderate Bewegung kann viele Schwangerschaftsbeschwerden sogar lindern und diesen vorbeugen. Walken, Schwimmen oder Yoga: Schwangere Rheumapatientinnen, die sich regelmäßig bewegen, tun etwas Gutes für sich und ihr Baby.
Dürfen rheumabetroffene Männer Kinder zeugen, wenn sie eine Basistherapie bekommen?
Das ist eine spannende Frage, die wir erst seit Kurzem besser beantworten können. Früher hat man auf Männer einfach dieselben Empfehlungen an gewendet wie auf Frauen mit entzündlichen Rheumaerkrankungen und einer medikamentösen Therapie – schlichtweg aus Mangel an Daten und Erfahrungen.
Man muss sich aber ganz prinzipiell die Frage stellen, wie es überhaupt durch die Einnahme von Medikamenten durch den Mann zu einer Fehlbildung des Kindes kommen kann. Dafür gibt es theoretisch zwei Möglichkeiten: durch Schädigung des Erbgutes oder durch Übertragung des Medikamentes über die Spermienflüssigkeit auf die Frau.
Eine kürzlich veröffentlichte niederländische Studie hat diese Frage exemplarisch für Methotrexat (MTX) geklärt. Die Forscher konnten zeigen, dass die Einnahme von MTX nicht mit Abnormalitäten oder einem Erbgutschaden bei den Spermien verbunden ist. Sie beschäftigten sich aber auch mit der Frage, ob MTX, respektive seine bioaktive Form Polyglutamat (MTXPG), in Spermatozoen beziehungsweise in der Samenflüssigkeit nachweisbar ist. Das war nicht der Fall, oder allenfalls in minimalsten unschädlichen Dosierungen.
Diese Studie liefert damit weitere Beweise dafür, dass eine MTX-Therapie bei Männern mit Kinderwunsch ohne wesentliche Sicherheitsbedenken fortgeführt werden kann. Das hat dazu geführt, dass die Britischen Empfehlungen zu Schwangerschaft und Zeugung bei Rheumaerkrankten für den Mann keinerlei Einschränkungen mehr nennen bezüglich einer medikamentösen Therapie und der Gefahr von Fehlbildungen. Allerdings kann die Fruchtbarkeit des Mannes durch die Einnahme von Sulfasalazin kurzzeitig und durch die Einnahme von Cyclophosphamid langfristig vermindert sein.
Autorin: Dr. Susanna Späthling-Mestekemper ist niedergelassene internistische Rheumatologin in München.
Dieser Text erschien zuerst in der Mitgliederzeitschrift "mobil", Ausgabe 4-2024. Sechs Mal im Jahr erhalten Mitglieder der Deutschen Rheuma-Liga die Zeitschrift direkt nach Hause (jetzt Mitglied werden).
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