Beobachtungen aus dem Schlaflabor zeigen, dass Menschen mit Fibromyalgie schlechter und weniger tief schlafen als andere, berichtet Ulrich Koehler, Professor an der Universitätsklinik Gießen und Marburg und Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums Marburg.
Schlafstörungen gehören zum Krankheitsbild des rheumatischen Formenkreises, besonders bei Fibromyalgie dazu. „Das hat zum einen mit entzündungsfördernden Botenstoffen zu tun, die auch den Schlaf beeinflussen. Zum anderen sind es schlicht und einfach Schmerzen, die viele Rheumabetroffene um den Schlaf bringen.“ Die durchleben dann im schlimmsten Fall einen Teufelskreis: Weil die Krankheit ihnen den Schlaf raubt, fehlt ihnen die Kraft der Erholung, was wiederum der Krankheit die Oberhand gibt. Denn während des Schlafs schüttet der Körper Wachstumshormone und einige Immunglobuline aus. „Sie sorgen unter anderem dafür, dass sich das Gewebe regeneriert und sich der Körper erholt.“
Die gute Nachricht: Wird die rheumatische Grunderkrankung behandelt – mit antientzündlichen oder immunmodulierenden Medikamenten und/oder mit Wärme- oder Kältereizen, Physiotherapie und dem Erlernen von Entspannungstechniken – bessert sich oft auch der Schlaf. Auch eine Verhaltenstherapie kann helfen, Dauerschmerzen im Alltag weniger stark wahrzunehmen, was für viele befreiend wirkt. Auf keinen Fall sollten sich Betroffene unter Druck setzen. Dafür hilft es, sich klarzumachen, dass auch gesunde Menschen die Hälfte der Nacht in einem störanfälligen Leichtschlaf verbringen, meint Ulrich Koehler. „Zwischen zehn- und 40-mal für einige Sekunden, drei- bis fünfmal für länger als eine Minute aufzuwachen, ist völlig normal.“ So seien die Menschen programmiert, „sonst wären sie schon in der Steinzeit ausgestorben.“
Medikamente können den Schlaf beeinflussen
Manchmal tragen Medikamente zu Schlafproblemen bei, berichtet Prof. Hanns-Martin Lorenz, Leiter der Sektion Rheumatologie am Universitätsklinikum Heidelberg. „Kortison beispielsweise ist nicht nur entzündungshemmend, es macht auch wach. Deshalb sollten Patienten es wenn irgend möglich lieber früh nehmen als abends.“
Da die typischen rheumatischen Schmerzen meist gegen 2 bis 3 Uhr morgens einsetzen, rät er allen, die für eine schmerzfreie Nacht auf Kortison angewiesen sind, sich von ihrem Arzt Tabletten mit dem Wirkstoff Prednison verschreiben zu lassen, die das Hormon zeitverzögert freisetzen.
Behandlung mit Schlafmitteln?
Wenn der Leidensdruck groß ist und alle diese Tipps zunächst nicht fruchten, können vorübergehend Medikamente helfen. Eine kurzfristige Behandlung mit Schlafmitteln halten Fachleute in akuten seelischen Notlagen für gerechtfertigt, ebenso bei einer außergewöhnlichen und vorübergehenden Überbelastung, bei einer akuten Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus wie etwa einem Jetlag oder auch zur Beruhigung vor einer Operation. Gegen den Alltagsstress oder zur Steigerung der Konzentration bei Überarbeitung sollten Medikamente aber tabu sein. Vor allem die – verschreibungspflichtigen – klassischen Benzodiazepine können schon deshalb keine Dauerlösung sein, weil sich der Körper an sie gewöhnt, sie die Schlafstruktur verändern und zu Abhängigkeit führen können. Ähnlich hoch kann das Abhängigkeitsrisiko bei den sogenannten Z-Substanzen Zolpidem und Zopiclon sein.
Auch sie dürfen nur unter ärztlicher Aufsicht und nicht durchgehend über Wochen und Monate eingenommen werden, denn belastbare Langzeitstudien stehen noch aus. Allerdings gibt es die Möglichkeit, die Einnahme vorauszuplanen und die Medikamente an drei bis vier Abenden pro Woche einzunehmen. Ist eine längere, tägliche Einnahme absehbar, werden häufig müde machende Antidepressiva verschrieben. Diese wirken bereits in kleinsten und kleinen Dosierungen schlafanstoßend und -regulierend, aber auch hier fehlen Langzeitstudien. Obwohl kein Suchtrisiko besteht, eignen sich diese Medikamente nicht für jeden Patienten. Das gilt insbesondere dann, wenn neben der Schlafstörung bestimmte andere Erkrankungen bestehen. Für Betroffene, die mindestens 55 Jahre alt sind, kann das sogenannte Circadin eine Alternative sein. Dieses Präparat setzt langsam Melatonin frei und ahmt damit die natürliche Melatoninausschüttung nach.
Ausgediente Allergiemittel
Gegen Schlafstörungen gibt es auch zahlreiche frei verkäufliche Medikamente. Die meisten synthetischen Tabletten gehören zu den Antihistaminika der ersten Generation, die früher gegen Heuschnupfen eingesetzt wurden und die müde machten. Allergien behandelt man daher heute mit einer anderen Wirkstoffklasse, doch für Schlafprobleme eignen sich die Mittel. Das Risiko, von den Mitteln abhängig zu werden, ist relativ gering, allerdings haben auch sie Nebenwirkungen, etwa Mundtrockenheit. Außerdem hält ihre Wirkung oft so lange an, dass Betroffene bis in den Tag hinein mit Müdigkeit zu kämpfen haben. Gar keine Suchtgefahr besteht bei den pflanzlichen Schlafmitteln. Für Stoffe wie Baldrianwurzel und Hopfenzapfen gibt es einige klinische Daten, die für eine schlaffördernde Wirkung sprechen. Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin reichen die wissenschaftlichen Belege allerdings für eine offizielle Behandlungsempfehlung nicht aus.
Autorin: Barbara Erbe arbeitet als Medizinjournalistin in Frankfurt am Main.