Aufgrund der Corona-Pandemie hat die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie auch 2021 wieder nur online getagt. Wir fassen einige Erkenntnisse vom Kongress zusammen.
Neue Therapiekonzepte bei Psoriasis-Arthritis
Viele Patienten mit Schuppenflechte (Psoriasis) entwickeln zusätzlich zu den Hautveränderungen rheumatische Beschwerden. Dabei ist der Verlauf dieser Psoriasis-Arthritis (PsA) äußerst variabel, betonte Dr. Frank Behrens aus Frankfurt am Main. Allerdings sei nicht klar, ob sich aus der Psoriasis zwangsläufig eine PsA entwickle – oder ob bei günstigem Krankheitsverlauf auch umgekehrt aus einer PsA „nur“ eine Schuppenflechte werden könne.
Risikofaktoren für Gelenkbeschwerden seien Übergewicht sowie der Befall von Finger- oder Fußnägeln. Außerdem haben Wissenschaftler beobachtet, dass an den Sehnenansatzstellen von Betroffenen mit Schuppenflechte neue Blutgefäße entstehen. Diese Neubildung sei ebenfalls ein Risikofaktor für zusätzliche Gelenkbeschwerden. Laut Meinung von Dr. Frank Behrens könnten sich seronegative rheumatoide Arthritis-(RA-)Erkrankungen nach eingehender Betrachtung als Psoriasis-Arthritis herausstellen.
Ballaststoffe können Entzündungen dämpfen
Wir sind, was wir essen – und Bakterien in unserem Verdauungstrakt haben einen großen Anteil an unserer Gesundheit. Die Zusammenhänge zwischen Darm und Gelenken seien noch nicht vollständig verstanden, erklärte Kongresspräsident Prof. Georg Schett aus Erlangen. Doch genau in diesem Zusammenhang liegt wahrscheinlich ein Schlüssel zum Verständnis der Rolle von Ernährung auf die Arthritis.
Neue Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Zusammensetzung der Darmbakterien schon sehr früh in der Entwicklung einer Arthritis verändert. Dabei verschieben sich eine Menge bestimmter Substanzen, die Darmbakterien herstellen und die Auswirkungen auf die Barrierefunktion des Darms und auf Entzündungen haben. Kurzkettige Fettsäuren wie Essigsäure, Propionsäure und Buttersäure spielen dabei eine große Rolle. Diese Stoffe entstehen nur, wenn genügend Pflanzenfasern (Ballaststoffe) in der Nahrung enthalten sind. Die Daten zeigen auch, dass Ernährung durch Beeinflussung der Funktion der Darmbakterien tatsächlich einen substanziellen Einfluss auf die Entwicklung und die Aktivität der Arthritis ausüben dürfte.
Kinder mit JIA dürfen Sport treiben
Kinder mit juveniler idiopathischer Arthritis (JIA) müssen zwar Einschränkungen in der Beweglichkeit betroffener Gelenke hinnehmen und sind in puncto Kondition und Geschwindigkeit von Bewegungsabläufen schlechter als gesunde Altersgenossen. Doch die Therapiemöglichkeiten haben sich verbessert, weshalb die Erkrankung kein Grund mehr für ein generelles Sportverbot ist. Prof. Johannes-Peter Haas aus Garmisch-Partenkirchen stellte eine Befragung von 329 Schülern mit JIA vor. 60 Prozent von ihnen trieben auch außerhalb der Schule Sport. Prof. Haas betonte die Wichtigkeit der differenzierten Schulsportbescheinigung. Eine entsprechende Sportberatung soll zukünftig von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden. Auch Fortbildungen für Sportlehrer sind in Planung.
Herz-Risikofaktoren im Blick halten
Trotz der immer besseren Kontrolle der chronischen Entzündung haben Betroffene mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen nach wie vor ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch die Sterblichkeit aufgrund von Herzinfarkt oder Schlaganfall ist erhöht. Schuld ist die entzündliche Aktivität der Grunderkrankung. Doch auch typische Medikamente bei Rheumaerkrankungen wie nichtsteroidale Antirheumatika oder Kortison erhöhen das Herz-Kreislauf-Risiko. Neben der Entzündungshemmung, die sich positiv auswirkt, können aber auch negative Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-Risiko und auf Gefäßerkrankungen auftreten. Privatdozentin Dr. Anne-Kathrin Tausch aus Dresden stellte die überarbeiteten und erweiterten EULAR- Empfehlungen dazu vor.
So sollen zu hoher Blutdruck und Blutfettwerte wie bei Nichtrheumatikern kontrolliert und behandelt werden. Es gelte, die Betroffenen mit einem hohen Herz-Kreislauf-Risiko zu identifizieren. Dazu gehören etwa Betroffene mit einer längeren Krankheitsdauer oder größerer entzündlicher Aktivität. Auch Alter, Geschlecht und Ethnie spielen eine Rolle, ebenso bestimmte Krankheitsmerkmale wie APS-Antikörper bei Lupus. Laut EULAR-Empfehlungen sollten insbesondere Patienten mit RA, ankylosierender Spondylitis oder Psoriasis-Arthritis alle fünf Jahre zum Vorsorge-Check zum Kardiologen. Mit einem gesunden Lebensstil (Ernährung Nikotinverzicht, Bewegung) kann jeder Betroffene selbst viel tun, um sein Herz- Kreislauf-Risiko zu minimieren.
Auf zur Videosprechstunde beim Rheumatologen?
Stimmen technische Voraussetzungen bei Ärzten und Patienten, können Videosprechstunden eine hilfreiche Ergänzung sein. Die Coronapandemie hat diese Entwicklung beschleunigt. Neben Videosprechstunden rücken auch digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) und die Nutzung von elektronischen Monitoring-Technologien in den Fokus. DiGAs können mittels „App auf Rezept“ erstattet werden.
Noch ist keine erstattungsfähige rheumaspezifische App zugelassen, wohl aber für typische Begleiterkrankungen wie Depression oder Diabetes. Darüber hinaus könnten auch sogenannte Wearables eine Rolle für die Überwachung des individuellen Krankheitsverlaufs eine Rolle spielen, etwa, wenn Betroffene ihre Symptome per Smartwatch oder Smartphone an den Rheumatologen übermitteln. Dieser kann anhand dieser Daten erkennen, ob ein Schub vorliegt oder nicht.
Folgenschwerer Ausfall des Funktionstrainings
Rheuma-Liga-Vorstandsmitglied Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann berichtete über die Auswirkungen der Coronapandemie auf die Inanspruchnahme von Physiotherapie und das Funktionstraining der Deutschen Rheuma-Liga. Wie zu erwarten war, haben die Lockdownmaßnahmen und Kontaktbeschränkungen zu erheblich verringerten Angeboten geführt. Ersatzangebote wie Videotherapie, Onlinekurse oder Hausbesuche gab es nur vereinzelt.
In Lockerungszeiten, etwa im Sommer 2020, wurde Physiotherapie oft kurzzeitig wieder intensiviert – für das Funktionstraining sei keine vergleichbare Entwicklung nachweisbar, so Dr. Schmidt-Ohlemann. Nach einer Umfrage konnten 85,8 Prozent der Befragten nicht an ihrem Bewegungsangebot (Funktionstraining oder Rehasport) teilnehmen, weil dies wegen Corona nicht mehr verfügbar war. Das hatte Folgen: 52,3 Prozent der Betroffenen gaben an, dass sich ihre körperliche Belastbarkeit und ihre Schmerzen stark verschlechtert haben. 18,6 Prozent berichteten von einer sehr starken Verschlechterung.