Vitamin D ist mehr ein Hormon als ein Vitamin, da der Körper seine biologisch aktive Form selbst herstellt. Dafür notwendige Vorläufermoleküle (Sterole) stammen aus der Nahrung, etwa aus fettem Seefisch. Für die Umwandlung benötigt der Körper UV-Licht, also: Sonne auf der Haut.
Risikofaktoren für einen Vitamin-D-Mangel liegen auf der Hand: Die Aufnahme der Baustoffe ist bei der üblichen mitteleuropäischen Mischkost begrenzt. Die meiste Zeit des Jahres bedecken wir unsere Haut fast vollständig. Deshalb schwankt der Vitamin-D-Spiegel mit Höchstwerten im August und einem Minimum im Februar.
Welche Wirkungen hat Vitamin D?
Am meisten bekannt ist, dass Vitamin D den Kalziumhaushalt reguliert und die Mineralisation des Knochens fördert: Durch Anregung der Kalziumaufnahme im Darm wird Kalzium ins Blut aufgenommen und steht zum Einbau in das Skelett zur Verfügung. Vitamin D hat aber auch weitere Funktionen in anderen Geweben und Organsystemen. So ist zum Beispiel gezeigt worden, dass Vitamin D über Reaktionen des Endothels, der die Blutgefäße auskleidenden Zellschicht, Einfluss auf den Blutdruck hat.
Weiterhin spielt es bei der Steuerung von Immunprozessen eine Rolle und zeigt bei Versuchen an Zellen eine antientzündliche Wirkung. Fraglich ist, ob es einen Richtwert für alle Funktionen gibt – oder ob es für die vielfältigen Effekte auf verschiedene Organsysteme und Gewebe unterschiedliche Referenzwerte für eine optimale Wirkung des Vitamin D geben kann. Dazu gibt es noch keine aussagekräftigen Studien.
Was sind die Referenzwerte?
Die Stellungnahme der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Kinderendokrinologie und Diabetologie benennt 20 ng/ml 25-OH-Vitamin D als Grenzwert für eine ausreichende Versorgung.
Kinder im ersten Lebensjahr sowie im zweiten Lebenswinter sollten eine Vitamin-D-Gabe von 400 bis 500 I. E. (10–12,5 μg) pro Tag erhalten. Für alle Größeren in unseren geografischen Breiten gilt weiterhin die Empfehlung, zwischen April und September mindestens zweimal pro Woche Sonne zu tanken: Zwischen zehn und 15 Uhr sollte man sich mit möglichst freien Armen und Beinen fünf bis 30 Minuten ohne Sonnenschutz im Freien aufhalten. Zusätzlich sollte regelmäßig ein- bis zweimal wöchentlich fetter Seefisch wie Lachs, Makrele oder Hering auf dem Speiseplan stehen.
US-amerikanische Ärzte empfehlen übrigens mit 30 ng/ml 25-OH-Vitamin D einen anderen unteren Grenzwert. Dies beruht auf Studien, nach denen bei Erwachsenen bereits bei 25-OH-Vitamin-D3- Spiegeln unter 30 ng/ml das Parathormon ansteigt. Das Parathormon trägt zur Aufrechterhaltung eines ausreichen Serumkalziumspiegels bei, in dem es Kalzium aus dem Knochen mobilisiert und die Enzyme für die Aktivierung von Vitamin D stimuliert.
Kann Vitamin D den Verlauf einer rheumatischen Erkrankung bei Kindern beeinflussen – insbesondere im Hinblick auf eine beginnende Uveitis?
Untersuchungen in der sogenannten Inzeptionskohorte für neu diagnostizierte Patienten mit juveniler idiopathischer Arthritis (ICON), die an elf Kinderrheumazentren bundesweit durchgeführt wird, haben gezeigt, dass das Risiko für eine Augenentzündung (Uveitis) umso höher ist, je niedriger der Vitamin-D-Spiegel ist. Außerdem wurde beobachtet, dass Patienten mit einer Oligoarthritis und einem stabil guten Vitamin-D-Spiegel seltener eine Rheumaform entwickeln, bei der mehr Gelenke betroffen sind.
Ab wann ist es sinnvoll, Vitamin D zu geben?
Bei einem nachgewiesenen Mangel kann man Vitamin D auch ohne Mangelanzeichen substituieren. Das gilt besonders für Kinder und Jugendliche, die ja im Wachstum sind. Bisher sind sich allerdings die Experten nur einig bei der Untergrenze des Vitamin-D- Spiegels. Es ist noch zu früh, Kindern und Jugendlichen mit juveniler idiopathischer Arthritis grundsätzlich die Gabe von Vitamin D zu empfehlen.
Wie oft sollte man den Vitaminspiegel kontrollieren?
Der Vitamin-D-Spiegel sollte untersucht werden, wenn Risikofaktoren bestehen oder sogar schon Krankheitszeichen auf einen Mangel hindeuten, etwa bei dunkelhäutigen Menschen oder Menschen, die sich aus religiösen Gründen fast vollständig verhüllen.
Die klassische Vitamin-D-Mangelerkrankung ist die Rachitis, eine Knochenerweichung aufgrund zu geringer Mineralisation. Bei Rachitis muss man neben Vitamin D auch Kalzium und Phosphat im Serum bestimmen und gegebenenfalls als Nahrungsergänzungsmittel geben. Chronisch kranke Kinder wie Patienten mit juveniler idiopatischer Arthritis sind aufgrund von Schmerzen und Einschränkungen unter Umständen weniger Sonne ausgesetzt als gesunde Altersgenossen. Je nach Schwere der Erkrankung gehören sie daher auch zu einer Risikogruppe für Vitamin- D-Mangel. Sinnvoll erscheint eine Untersuchung des Vitamin-D-Spiegels in den Monaten Januar oder Februar. Wird eine Substitution begonnen, sollte der Arzt den Vitamin-D-Spiegel nach drei Monaten erneut bestimmen.
Welche Rolle spielen Kalzium und Vitamin K?
Bei einer ausgewogenen Ernährung, die Milchprodukte einschließt, ist im Allgemeinen von einer ausreichenden Aufnahme von Kalzium auszugehen. Wer an Unverträglichkeiten oder Allergien etwa gegen Kuhmilch leidet, sollte zur Ernährungsberatung gehen, um eine ausreichende Kalziumaufnahme durch andere Nahrungsmittel sicherzustellen.
Vitamin K, hier insbesondere das Vitamin K2, spielt eine wichtige Rolle bei Stoffwechselprozessen, die Vitamin D hervorruft. Der Einbau von Kalzium in die Knochenmatrix kann nur unter Mitwirkung von Vitamin K2 erfolgen. Ohne Vitamin K2 besteht die Gefahr, dass Kalzium sich in anderen Geweben ablagert, etwa in den Blutgefäßen. Vitamin K2 findet sich vor allem in tierischen Produkten wie Leber und Eigelb sowie fermentierten Milchprodukten wie Joghurt oder Hartkäse.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gibt bislang nur Empfehlungen zur täglichen Aufnahme von Vitamin K insgesamt, was aber eine Gruppe an verschiedenen Substanzen umfasst. Liegen bereits Krankheitszeichen durch Vitamin- D- Mangel vor, kann der Arzt Vitamin D verordnen, also bei Rachitis oder osteoporotischen Knochenbrüchen. Nimmt jemand länger als sechs Monate Medikamente ein, die den Vitamin-D-Stoffwechsel oder die Wirkungen von Vitamin D beeinflussen, kann der Arzt ebenfalls Vitamin D verordnen. Zu diesen Medikamenten gehören zum Beispiel Glukokortikoide.
Ist eine Überdosierung von Vitamin D möglich? Welche Risiken gibt es?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt für Kinder ab dem ersten Geburtstag, Jugendliche und Erwachsene eine tägliche Menge an Vitamin D von 20 μg (800 I. E.). Diese kann durch Nahrungsmittel, UVB-Bestrahlung der Haut sowie durch entsprechende Präparate erreicht werden.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit gibt für Kinder ab zehn Jahren und Erwachsene eine tägliche tolerable Höchstdosis von 100 μg Vitamin D pro Tag an, für Kinder bis zehn Jahre gelten 50 μg Vitamin D pro Tag als tolerabel. Durch exzessive Sonnenbestrahlung kann keine Vitamin-D-Überdosierung entstehen. Das ist anders bei Nahrungsergänzungsmitteln oder Medikamenten mit Vitamin D oder angereicherten Lebensmitteln: Zu viel davon kann zu einer Hyperkalzämie führen, also erhöhte Kalziumspiegel im Blut. Nierensteine und Nierenschäden können die Folge sein. Das kann passieren, wenn man einmalig eine extrem hohe Dosis einnimmt, aber auch, wenn man jeden Tag mehr als die täglich tolerable Menge einnimmt. Grundsätzlich erscheinen tägliche, geringere Dosen verträglicher.
Autorin: Dr. Claudia Sengler. Die pädiatrische Rheumatologin arbeitet am Deutschen Rheumaforschungszentrum in Berlin in der Arbeitsgruppe von Prof. Kirsten Minden, die die Versorgung junger Menschen mit Rheuma untersucht.