Es gibt nicht die eine Laboruntersuchung, die eine entzündliche Rheumaerkrankung beweisen kann. Laborwerte helfen, die Verdachtsdiagnose aus der detaillierten Befragung zu den Schmerzen, der Systemübersicht und der körperlichen Untersuchung zu erhärten. Dazu sucht man gezielt nach Anhaltspunkten für eine Entzündung, checkt Organfunktionen und führt gegebenenfalls spezifischere Rheumatests durch. Auf der anderen Seite können die Blutwerte unauffällig und vollkommen normal bleiben, obwohl eine entzündliche Gelenkerkrankung, eine Entzündung der Wirbelsäule oder an den Sehnenansätzen vorliegt.
Im Systemüberblick fragt der Rheumatologe eine mögliche Beteiligung wichtiger Organe ab. Deshalb ist es wichtig, dass in den Laboruntersuchungen besonderes Augenmerk auf die Überprüfung
der Funktion dieser Organe liegt. Dazu gehören immer:
- Entzündungswerte: C-reaktives Protein (CRP), Blutsenkung, Blutbild,
- Organfunktionen von Niere, Leber und anderen,
- spezifischere Rheumatests,
- zusätzliche Testverfahren.
Vor dem Besuch beim Rheumatologen und vor dem Beginn einer Therapie mit entzündungshemmenden Medikamenten sollte der Hausarzt die Entzündungswerte und Werte zu den Organfunktionen bestimmt haben. Grund ist, dass beispielsweise der Start mit einer Kortisonbehandlung jede weitere Labordiagnostik erschwert: Die Therapie überdeckt Entzündungswerte, die für die Diagnose und den weiteren Verlauf der Therapie wesentlich sind. Natürlich sind Entzündungswerte und Werte zu den Organfunktionen im Verlauf unter Therapie ebenfalls erforderlich – auch, um etwaige Nebenwirkungen von Rheumamedikamenten frühzeitig zu erkennen und, falls nötig, gegensteuern zu können.
Entzündungswerte und Blutbild
Die wichtigsten Entzündungswerte sind der CRPWert (C-reaktives Protein) und die Blutsenkung (Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit, BSG oder BKS abgekürzt). Diese beiden Entzündungswerte sollten zusammen bestimmt werden. Sind beide erhöht, verstärkt das ihre Aussagekraft. Entzündungswerte können nicht nur bei entzündlichen Rheumaerkrankungen erhöht sein. Auch bakterielle Entzündungen und andere entzündliche Erkrankungen können die Ursache sein. Nicht jede Entzündung im Körper lässt sich in diesen beiden Laborwerten erkennen – beispielsweise können ein deutlich erhöhtes Körpergewicht oder eine Blutarmut zu erhöhten Werten beitragen.
Das Blutbild gehört ebenfalls zu den bei Entzündung veränderten Blutwerten. Für das Blutbild bestimmt das Labor die Zahl der roten (Erythrozyten) und weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und die Zahl der Blutplättchen (Thrombozyten). Außerdem lässt es Rückschlüsse auf die Funktion des Knochenmarks zu, das alle Blutbestandteile bildet. Darüber hinaus gibt es weitere Blutwerte, die sich bei Entzündungen verändern, etwa Ferritin, D-Dimere, IL-6 und andere.
Organfunktionen im Blick
Kreatinin im Blut sowie die Urinuntersuchung geben Aufschluss über die Funktion der Niere, die bei bestimmten Rheumaerkrankungen oder durch die Rheumamedikamente betroffen sein kann. Der Urin wird meist mit speziellen Urinstreifen gemessen, die nach Eiweiß, Zucker und Bakterien fahnden. Der Harnsäurewert ist bei einer Nierenfunktionsstörung ebenfalls erhöht. Der Harnsäurewert hat aber in der Rheumatologie eine besondere Bedeutung, da erhöhte Werte die Ursache einer Gicht sein können. Bei einer Ausscheidungsschwäche der Niere für Harnsäure (oftmals vererbbar) steigt sie im Blut an und lagert sich in Weichteilen, Gelenken und Organen in Kristallen ab, die dann eine Entzündungsreaktion auslösen.
Die Leberwerte GOT (AST), GPT (ALT), GGT (das T steht für Transaminasen, der Sammelbegriff dieser drei Leberenzyme) beschreiben Veränderungen der Leber- und Gallenfunktion. Sie können durch die Rheumaerkrankung selbst oder durch deren Behandlung verändert sein, aber auch durch Ernährungsprobleme, eine Zuckererkrankung, Übergewicht, Alkoholkonsum und einiges mehr. Weitere Organfunktionen sind manchmal bei Rheumaerkrankungen von Bedeutung. Sie lassen sich ebenfalls durch bestimmte Blutwerte beleuchten, etwa durch die Alkalische Phosphatase oder durch die Bestimmung der sogenannten Elektrolyte Natrium, Kalium und Kalzium. Diese Werte sind für den Knochenstoffwechsel, aber auch für die Funktion von Nieren und Herz bedeutsam. Lipase und Amylase sagen etwas über die Bauchspeicheldrüse aus, TSH über die Schilddrüsenfunktion und anderes mehr.
Zusätzliche Rheumatests
Diese Tests werden vor allem zur Unterscheidung von bestimmten entzündlichen Rheumaerkrankungen eingesetzt. Sie sind aber nicht so spezifisch, wie man meinen könnte. Das bedeutet, sie kommen zwar bei bestimmten Rheumaerkrankungen häufiger vor, können aber auch bei anderen Erkrankungen oder manchmal sogar bei oft älteren Personen ohne Rheuma auftreten. Der am häufigsten bestimmte Rheumafaktor (RF) (es gibt mehrere davon, er gehört zu der Gruppe der Antikörper) kommt vor allem bei der rheumatoiden Arthritis vor. Der Wert kann aber auch bei anderen entzündlichen Rheumaerkrankungen erhöht sein – und auch bei anderen Erkrankungen, die nichts mit Rheuma zu tun haben. Der Rheumafaktor steigt oft mit zunehmendem Alter auch ohne Rheumaerkrankung an.
Der Anti-CCP-Test (CCP: zyklisches citrulliniertes Peptid) weist nach, ob im Blut anticitrullinierte Peptidantikörper (CCP ist einer davon), also gegen bestimmte, in ihrer räumlichen Struktur veränderte Eiweißstoffe (citrullinierte Peptide) vorhanden sind. Sie sind deutlich spezifischer für die RA, das bedeutet, sie kommen bei anderen Erkrankungen sehr viel seltener vor als beispielsweise der Rheumafaktor. Sind beide (RF und CCP) vorhanden, spricht das deutlich eher für eine bestehende, beginnende oder in Zukunft zu erwartende rheumatoide Arthritis.
Antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (ANCA) richten sich gegen Eiweißbestanteile von weißen Blutkörperchen. Sie werden bei einem Teil von Erkrankungen gefunden, die mit einer Entzündung der Blutgefäße, meist der kleinen Arterien, einhergehen, zum Beispiel der Granulomatose mit Polyangiitis (früher Morbus Wegener genannt). Diese Erkrankungen gehören zu der Gruppe der Vaskulitiden.
Unter den Kollagenosen versteht man eine Erkrankungsgruppe, zu denen beispielsweise der systemische Lupus erythematodes, die systemische Sklerose, Sklerodermie und das Sjögren-Syndrom gehören. Bei diesen Erkrankungen können fast immer antinukleäre Antikörper (ANA) nachgewiesen werden. Diese Antikörper richten sich gegen bestimmte Bestandteile des Zellkerns. Diese Gruppe kann durch weitere Labortest in extrahierbare nukleäre Antikörper voneinander unterschieden werden. Dazu gehören beispielsweise SCL70 (Sklerodermie), SS-A, SS-B (Sjögren-Syndrom), U1-RNA (Sharp-Syndrom). Die sogenannten dsDNA zeigen spezifischer eine Lupuserkrankung an. Die Complement-Faktoren C3 und C4 können bei einer aktiven Lupuserkrankung die Diagnostik erleichtern. Allerdings gilt auch für diese Antikörper, dass allein der Nachweis von ANA nicht gleichbedeutend mit dem Nachweis für eine Kollagenose ist, sondern diese auch unabhängig davon auftreten können.
Bei dem Marker HLA-B27 handelt es sich um ein vererbbares Eiweißmerkmal im Blut. Es tritt bei über 90 Prozent aller Betroffenen mit einer entzündlichen Wirbelsäulenerkrankung (Spondyloarthritis) auf, vor allem beim Morbus Bechterew. Es findet sich aber auch bei den anderen Erkrankungen dieser Gruppe, etwa bei der Psoriasis-Arthritis mit Wirbelsäulenbeteiligung, der Iritis des Auges, der reaktiven Arthritis, bei entzündlichen Darmerkrankungen mit Gelenk- oder Wirbelsäulenbeteiligung. Wie bei all diesen Labormethoden beweisen positive Hinweise nicht die Erkrankung – und andersherum kann die Rheumaerkrankung auch trotz fehlender Hinweise vorliegen.
Erst das Gesamtbild aus allen Informationen fügt sich zur Diagnose und damit zur zielgerichteten Therapiemöglichkeit zusammen. Als weiterer Baustein der Diagnose einer Rheumaerkrankung kommen die bildgebenden Verfahren noch dazu, etwa Ultraschall, Röntgen, Kernspintomografie, Szintigrafie und andere.
Autor: Prof. Stefan Schewe ist internistischer Rheumatologe in München und Ebersberg. Er ist ärztlicher Berater und Vorstandsmitglied der Deutschen Rheuma-Liga.