Physiotherapie kennt jeder – Ergotherapie dagegen ist viel weniger bekannt und wird auch seltener verordnet. Julia Bidder, Chefredakteurin der Mitgliederzeitschrift "mobil", sprach mit Bettina Kuhnert, Vorstandsmitglied beim Deutschen Verband der Ergotherapeuten, über die ärztliche Verordnung und die Untersützung, die ein Ergotherapeut leisten kann.
Frau Kuhnert, wann kann Ergotherapie bei einer rheumatischen Erkrankung hilfreich sein?
In allen Phasen: Kurz nach der Diagnose geht es noch darum, Aufklärung zu betreiben, Gelenkschutz zu erlernen und schädigende Verhaltensweisen und Schonhaltungen im Alltag zu vermeiden.
Oft geht es um ganz banale Dinge – etwa, dass ein Rheumakranker nicht mehr Getränkekästen in den dritten Stock schleppt. Ergotherapie kann auch dazu beitragen, die Narbenbildung zu vermindern. Das gilt vor allem bei Operationen an Händen und Fingern, wo schon kleine Narben große Funktionseinschränkungen nach sich ziehen können. Wir üben Alltagstätigkeiten ganz praktisch. Das hilft auch dabei, Schmerzmittel einzusparen.
Wie komme ich an eine entsprechende Verordnung?
Grundsätzlich darf jeder Arzt Ergotherapie verordnen. Das gilt auch für Diagnosen, die der Arzt selber nicht gestellt hat.
Wie finde ich einen auf Rheuma spezialisierten Ergotherapeuten?
Grundsätzlich muss jede Praxis jede Verordnung annehmen. Es ist aber durchaus sinnvoll, sich vorab zu erkundigen, ob der Therapeut sich auf die Erkrankung Rheuma spezialisiert hat. Das gilt vor allem, wenn man eine spezielle Versorgung mit Schienen oder Hilfsmitteln wie Schwanenhalsringen wünscht.
Was versteht man unter ergotherapeutischem Coaching?
Das ist keine Leistung, die der Arzt verordnen kann. Der Arbeitgeber kann ein Coaching anfordern. Ein Ergotherapeut schaut sich Arbeitswege und Teilschritte genau an und optimiert sie gemeinsam mit dem Betroffenen, passt Hilfsmittel an und berät. Die Kosten trägt der Arbeitgeber. Es gibt aber auch im Rahmen einer ganz normalen Ergotherapieverordnung die Möglichkeit, dass
der Therapeut einmalig den Klienten am Arbeitsplatz besucht und schaut, wie er die Situation optimieren kann.
Welche weiteren Funktionen können Ergotherapeuten übernehmen?
Was uns auszeichnet, ist die Beratung in der Familie oder im Job: Was kann man dem Betroffenen noch selbst zumuten, welche Aufgaben muss jemand anderes übernehmen? Wir helfen auch bei der nicht medikamentösen Schmerzbehandlung, etwa durch Kälte- oder Wärmeanwendungen. Und nicht zuletzt ist es auch unsere Aufgabe, mit den Betroffenen über ihr Zeitmanagement zu sprechen: Wie verteile ich meine Aufgaben über die Woche? Wie plane ich Pausen im Voraus ein? Wie bewege ich mich, wenn ich den ganzen Tag eine sitzende Tätigkeit ausübe? Auch an diesen Punkten können Ergotherapeuten Hilfestellung geben.