Regelmäßig beantworten Expertinnen und Experten in der Mitgliederzeitschrift "mobil" der Deutschen Rheuma-Liga Fragen von Betroffenen – dieses Mal Dr. Jürgen Clausen, Referent Forschung, Deutsche Rheuma-Liga, Bundesverband.
Frage: Ich habe gehört, dass eine neue Therapie bei Vaskulitis zugelassen wurde. Um was für ein Medikament handelt es sich?
Antwort: Zur Behandlung zweier Formen der Anti-Neutrophile-Cytoplasmatische-Antikörper-(ANCA-) assoziierten Vaskulitis ist ein neuer Wirkstoff auf den Markt gekommen: Avacopan hat kürzlich die Zulassung für die Behandlung von Morbus Wegener (Granulomatose mit Polyangiitis, GPA) und der mikroskopischen Polyangiitis (MPA) erhalten. Beide Erkrankungen zählen zu den ANCA-assoziierten Vaskulitiden und greifen die kleinen Blutgefäße an. Avacopan liegt als Hartkapsel vor.
Der große Vorteil des Wirkstoffs ist, dass mit Avacopan die Verwendung von Glukokortikoiden (Kortison) drastisch reduziert werden kann. In einer ersten Studie bekam ein Teil der Patienten Avacopan über 52 Wochen. Der andere Teil der Patienten bekam über 52 Wochen das Glukokortikoid Prednison, wobei die Dosis über 20 Wochen hinweg von 60 Milligramm pro Tag auf null reduziert wurde. Alle Patienten erhielten zudem eine immunsuppressive Standardtherapie. Die Patienten mit Avacopan zeigten keine schlechteren Ergebnisse im Vergleich zu den Prednison-Patienten. Ganz im Gegenteil: Nach 52 Wochen waren etwas mehr Patienten unter Avacopan in Remission, die Nierenfunktion war unter Avacopan besser und der Gesundheitszustand und die Lebensqualität wurden unter Avacopan von den Patienten leicht besser eingeschätzt. Außerdem war auch die sogenannte Glukokortikoid-Toxizität nach 26 Wochen unter Avacopan geringer als unter Prednison.
Darunter versteht man einen Messwert zur Erfassung von Nebenwirkungen, die mit einer Kortisoneinnahme im Zusammenhang stehen. Nach Einschätzung von Experten werden die Patienten allerdings auch in Zukunft nicht ganz ohne Glukokortikoide auskommen können. Mögliche Nebenwirkungen der bislang alternativlosen Glukokortikoide werden aber wahrscheinlich deutlich seltener auftreten. Dazu gehören zum Beispiel Infekte oder eine Diabeteserkrankung. Es handelt sich bei Avacopan um einen relativ neuen Wirkstoff, sodass die Erkenntnisse zu Nebenwirkungen, insbesondere Langzeitnebenwirkungen, noch nicht so umfassend sind wie bei anderen Wirkstoffen. Die bisher bekannten Nebenwirkungen sind im Beipackzettel zusammengefasst. Beispielsweise sollen die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und die Leber bei der Anwendung von Avacopan regelmäßig überprüft werden. Bei schweren Leberfunktionsstörungen wird Avacopan nicht empfohlen, und bei Kinderwunsch sollen Frauen Avacopan nicht einnehmen.
Der Stellenwert dieses neuen Therapieprinzips ist auch bei ANCA-assoziierter Vaskulitis noch unklar. Bei sehr hohen Therapiekosten wird es für diese sehr seltene Erkrankung nur möglich sein, bei lebensbedrohlicher Erkrankung mit sehr hohem Kortisonbedarf diese Therapie in spezialisierten Zentren einzusetzen.
Dieser Text erschien zuerst in der Mitgliederzeitschrift "mobil", Ausgabe 5-2022. Sechs Mal im Jahr erhalten Mitglieder der Deutschen Rheuma-Liga die Zeitschrift kostenlos direkt nach Hause (jetzt Mitglied werden).