Der diesjährige Deutsche Kongress für Orthopädie (O) und Unfallchirurgie (U) – kurz: DKOU – stand unter dem Motto „Mit Begeisterung für unsere Patienten“: Vom 25. bis 28. Oktober 2022 kamen rund 10.000 Ärzte und Fachleute in Berlin zusammen.
Der Kongress wird traditionell von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) sowie dem Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) ausgerichtet.
Neues zu Arthrofibrose
Was ist, wenn das Gelenk nach dem Einsetzen einer Endoprothese noch schmerzt? Prof. Karl-Dieter Heller aus Braunschweig hielt einen Vortrag über Arthrofibrose nach einer Totalendoprothese (TEP) des Knies. Unter Arthrofibrose versteht man eine überschießende Narbenbildung, zum Beispiel am Knie. Sie gehört zu den häufigsten Komplikationen nach einer Knie-TEP-Operation: Verschiedene Forscher geben Häufigkeiten zwischen 3,7 und zehn Prozent an.
Zu den Symptomen einer Arthrofibrose zählen eine Entzündungsreaktion mit Rötung, Schwellung und Überwärmung sowie Bewegungseinschränkungen und Schmerzen in dem operierten Gelenk. Prof. Heller unterschied zwischen primärer Arthrofibrose, bei der nur patientenbezogene Faktoren eine Rolle spielen, und sekundärer Arthrofibrose, die aufgrund von Komplikationen bei der Operation (OP) oder Fehlern des Chirurgen auftritt.
Der Grund, weshalb die Bindegewebszellen (Fibroblasten) sich ungehindert vermehren, ist noch unbekannt. Für die primäre Arthrofibrose nannte Prof. Heller folgende Risikofaktoren: ausgeprägte Bewegungseinschränkungen schon vor der OP, schwere Deformitäten, vorangegangene Eingriffe, Adipositas, posttraumatische oder postinfektiöse Arthrose, mangelnde Motivation sowie unrealistische Erwartungen. Bei den postoperativen Gründen für die Entstehung von Arthrofibrose nannte Prof. Heller unter anderem Schmerzen sowie bestimmte Methoden zur regionalen Anästhesie rund um den Eingriff.
Darüber hinaus zeigten sich kritisch: keine oder nicht ausreichende Physiotherapie oder fehlende passive Mobilisierung (CPM), Schwellung, Blutungen sowie Hämatome (blaue Flecken), Infekte, komplexes regionales Schmerzsyndrom sowie mangelnde Mitwirkung des Patienten. Auch bei der Therapie scheiden sich die Geister – die Behandlungen rangieren von gar keiner Therapie bis hin zur Arthrolyse, bei der der Chirurg versucht, die Beweglichkeit des Gelenks wiederherzustellen, indem er Narbengewebe und Verwachsungen beseitigt oder die Gelenkkapsel erweitert.
Probleme mit der Hüft-TEP
Prof. Maximilian Rudert aus Würzburg sprach über die schmerzhafte nicht infizierte Hüftprothese. 8,1 bis 28 Prozent der Betroffenen mit einem künstlichen Hüftgelenk klagen über anhaltende Schmerzen in der operierten Hüfte.
Im Jahr 2020 gab es über 18.500 Wechsel-OPs an der Hüfte, knapp 30 Prozent davon gingen auf eine sogenannte aseptische Lockerung zurück. In jedem Fall sei eine ausführliche Diagnostik nötig – und man müsse auch an gelenkferne und von der OP unabhängige Ursachen für die Schmerzen denken, etwa einen Bruch bei Osteoporose, einen Bandscheibenvorfall oder Problemen in den Blutgefäßen, etwa eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK; Schaufensterkrankheit) oder einen Gefäßverschluss.
Tipp für Betroffene: Der Einsatz eines künstlichen Gelenks (Endoprothese) kann Schmerzen und Bewegungseinschränkungen mindern und dabei die Beweglichkeit, die Funktionen im täglichen Leben und/oder die soziale Mobilität erhalten. Die Entscheidung für eine solche Operation fällt nicht immer leicht. Was im Vorfeld und nach dem Gelenkersatz zu beachten ist, darüber informiert die Deutsche Rheuma-Liga im Merkblatt "Gelenkendoprothesen bei Rheuma", das im Publikationsshop herunterladbar und bestellbar ist, und auf der Internetseite.
Neues Konzept bei Arthrose
Die Physiotherapeutin Jeannine Hauke hat Health Care Management studiert und stellte GLA:D vor, was für Good Life with osteoArthritis in Denmark steht. Seit 2013 gibt es das Programm in Deutschland. Hierzulande startet zum Beispiel die Barmer in Nordrhein-Westfalen jetzt ein Pilotprojekt. Bei GLA:D handelt es sich um ein strukturiertes Therapiekonzept für die Behandlung von Knie- und Hüftarthrose, an dem bislang bereits über 85.000 Patientinnen und Patienten teilgenommen haben.
Das Konzept umfasst zu Beginn und zum Ende je einen digitalen Fragebogen. Die Therapie besteht aus Einzelsitzungen, kombiniert mit Kleingruppen, in denen Betroffene geschult werden, sowie zwölf Einheiten eines neuromuskulären Übungsprogramms in Kleingruppen. Hinzu kommen digitale Therapiebegleitung und Nachsorge. Absolventen des Programms berichteten über weniger Schmerzen (Knie: –28 Prozent, Hüfte –21 Prozent), brauchten weniger Medikamente (–31 Prozent, –23 Prozent), hatten eine bessere Funktionalität und gaben an, eine bessere Lebensqualität zu haben.
Autorin: Julia Bidder, Chefredakteurin der Mitgliederzeitschrift "mobil"
Dieser Text erschien zuerst in der Mitgliederzeitschrift "mobil", Ausgabe 1-2023. Sechs Mal im Jahr erhalten Mitglieder der Deutschen Rheuma-Liga die Zeitschrift kostenlos direkt nach Hause (jetzt Mitglied werden).